Gerhard Köbler
FERNKERNLERNKURS RECHT
Öffentliches Recht
Zivilprozessrecht
§ 1 Zivilgerichtsverfassung
§ 2 Verfahrensgrundsätze
§ 3 Erkenntnisverfahren
§ 4 Besondere Verfahrensarten
§ 5 Zwangsvollstreckung
§ 6 Europäisches Zivilprozessrecht
§ 1 Zivilgerichtsverfassung
Das
Zivilprozessrecht ist die Gesamtheit der für den Zivilprozess geltenden
Rechtssätze. Zivilprozess ist der
Prozess in zivilen Rechtsstreitigkeiten zwischen Nichthoheitsträgern oder
Hoheitsträgern in ihrer nichthoheitlichen Eigenschaft. Prozess ist der Ablauf
des öffentlichrechtlichen Verfahrens zur Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit.
Voraussetzung
für einen Prozess ist das Gericht
als Einrichtung für die Entscheidung rechtlicher Streitigkeiten. Da die
Entscheidung vielfach einem Beteiligten etwas zuspricht und einem anderen
Beteiligten etwas abspricht, kann sie nicht Anerkennung ohne jeden Widerstand
erwarten. Von daher hat sich ihre Gründung auf die Hoheitsgewalt als notwendig
erwiesen.
Festgelegt
ist die Gerichtsorganisation im Gerichtsverfassungsgesetz
(GVG). Davon getrennt ist die Bestimmung des Prozesses in der Zivilprozessordnung (ZPO). Für einzelne
Prozessstadien oder Prozessstadienarten sind besondere Gesetze geschaffen (z.
B. Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung [ZVG],
Insolvenzordnung [InsO]).
I. Gerichtsbarkeit
Gerichtsbarkeit
ist die der rechtsprechenden Gewalt des Staates dienende Einrichtung. Sie ist
damit Teil der Staatsgewalt insgesamt. Sie ist grundsätzlich getrennt von der
gesetzgebenden Gewalt und der vollziehenden Gewalt.
Die
Gerichtsbarkeit ist im Bundesstaat geteilt zwischen Bund und Ländern. Der
größte Teil der Gerichtsbarkeit steht den Ländern zu (Landesgerichte). Die
Spitze der Gerichtsbarkeit steht dem Bund zu (Bundesgerichte).
Zur Gerichtsbarkeit
im weiteren Sinn wird auch die Justizverwaltung
gerechnet. Ihre Aufgabe ist die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen für
die Ausübung der Gerichtsbarkeit (z. B. Errichtung und Erhaltung von Gebäuden,
Einstellung von Menschen als Bediensteten). Diese Verwaltungstätigkeit steht
für die Bundesgerichte dem Bund, für die Landesgerichte den Ländern zu.
Die
Gerichtsbarkeit in Deutschland ist auch sachlich nicht einheitlich. Es gibt
mehrere Gerichtsbarkeiten (Verfassungsgerichtsbarkeit, ordentliche
Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit,
Sozialgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit). Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst die Zivilgerichtsbarkeit und
die Strafgerichtsbarkeit.
II. Zivilgerichtsbarkeit
Die
Zivilgerichtsbarkeit ist die für alle bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von
Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder für die nicht
auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder
zugelassen sind, zuständige Gerichtsbarkeit (§ 13 GVG). Sie ist damit durch die
unterschiedliche Rechtsfolge (keine Strafe) von der Strafgerichtsbarkeit klar
getrennt. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung ist sie auch die für
Schadensersatzsprüche aus Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG), die für
Rechtsstreitigkeiten um Enteignungsentschädigung (Art. 14 III, 15 S. 2 GG) und die
für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung, aus öffentlichrechtlicher
Verwahrung und aus der Verletzung öffentlichrechtlicher Pflichten (§ 40 II
VwGO) zuständige Gerichtsbarkeit.
Im Übrigen
muss im Einzelfall entschieden werden, ob die Rechtsstreitigkeit bürgerlich
(bürgerlichrechtlich) oder öffentlichrechtlich ist. Dies kann schwierig sein.
Öffentlichrechtlich ist eine Streitigkeit dann, wenn sie einen Hoheitsträger in
seiner Eigenschaft als solchen betrifft (z. B. Streit einer allgemeinen
Ortskrankenkasse und einer Ersatzkasse um Mitgliederwerbung).
Innerhalb der
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist für Arbeitsstreitigkeiten die besondere Arbeitsgerichtsbarkeit bestellt.
Innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit gehören die vom Gesetz über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten (z. B.
Vormundschaftssachen, Familiensachen, Nachlasssachen, Grundbuchsachen) nicht
zur streitigen Zivilgerichtsbarkeit. Im Einzelfall soll das ordentliche Gericht
(nur) auf Grund des Tatsachenvortrags des Klägers die Rechtsnatur der geltend
gemachten Rechtsfolge beurteilen (str.).
Hat ein
Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt,
sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden (§ 17a GVG). Hält das
angerufene Gericht den beschrittenen Rechtweg für unzulässig (bzw. ist der
beschrittene Rechtsweg unzulässig), spricht das Gericht dies nach Anhörung der
Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das
Gericht des zulässigen Rechtswegs (§ 17a GVG). Dieses Gericht darf weder
zurückverweisen noch an ein Gericht eines weiteren Rechtswegs weiterverweisen.
Räumlich ist
die deutsche Zivilgerichtsbarkeit auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
beschränkt, so dass z. B. gemäß internationalen Vereinbarungen bei Vernehmung
eines Zeugen im Ausland eine ausländische Behörde um Rechtshilfe ersucht werden
muss. Persönlich unterliegen der deutschen Zivilgerichtsbarkeit alle deutschen
Staatsangehörigen und alle in Deutschland wohnenden Ausländer. Ausgenommen sind
Mitglieder beglaubigter diplomatischer Vertretungen samt Familienmitgliedern
und privaten Hausangestellten, Konsulatsbeamte sowie fremde Staatsoberhäupter
(§§ 18ff. GVG) und fremde Staaten, soweit sie nicht privatrechtliche
Beziehungen aufnehmen (str.).
III. Gericht
Die (ordentliche)
Gerichtsbarkeit ist in einzelne Gerichte gegliedert. Hierarchisch sind Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Oberlandesgerichte, Landgerichte und Amtsgerichte zu unterscheiden. Im Einzelfall entscheidet (als
Zivilgericht) stets ein einzelner Spruchkörper des Gerichts im weiteren Sinn.
Spruchkörper
(bzw. Gericht im engeren Sinn) ist bei dem Bundesgerichtshof und bei dem
Oberlandesgericht ein Senat, bei dem
Landgericht eine Kammer und bei dem
Amtsgericht eine Abteilung. Der
Senat des Bundesgerichtshofs ist mit einem Vorsitzenden und vier Beisitzern
besetzt (§ 139 GVG), der Senat des Oberlandesgerichts und die Kammer des
Landgerichts mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern (§§ 122, 75 GVG, bei
der Kammer für Handelssachen zwei Laienrichter § 105 GVG), die Abteilung des
Amtsgerichts mit einem Einzelrichter. Die Kammer des Landgerichts entscheidet
grundsätzlich durch den (originären) Einzelrichter
(§ 348 ZPO).
Ersuchter Richter ist der vom Gericht im Wege der
Rechtshilfe um Durchführung einer einzelnen Maßnahme (z. B. Vernehmung eines
Zeugen) ersuchte Richter eines örtlich anderen Amtsgerichts (§ 157 GVG).
IV. Personen des Gerichts
1. Richter
Richter ist
im Zivilprozess grundsätzlich der in das besondere Richterverhältnis berufene
Berufsjurist. Er muss Deutscher sein, die Gewähr für jederzeitiges Eintreten
für die freiheitliche demokratische Grundordnung bieten, durch Bestehen zweier
juristischer Staatsprüfungen die Befähigung zum Richteramt erworben haben und
(auf Grund angemessener Prüfungsergebnisse) zum Richter auf Probe ernannt
worden sein (§ 12 DRiG). Frühestens nach drei Jahren richterlicher Tätigkeit
(auf Probe) kann er zum Richter ernannt werden (§ 10 DRiG).
Er ist nach
Art. 97 I GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (sachliche
Unabhängigkeit). Er ist nicht Beamter. Er ist nur an Gesetz und Recht gebunden
(Art. 20 III GG).
Der
hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellte Richter kann gegen seinen
Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den
Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf seiner Amtszeit entlassen oder
dauernd oder zeitweise seines Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in
den Ruhestand versetzt werden (Art. 97 II 1 GG, persönliche Unabhängigkeit, beachte
auch S. 2, 3). Er ist aber kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts
ausgeschlossen, wenn er oder ein naher Angehöriger Partei ist oder wenn er in
dem Rechtsstreit bereits in anderer Eigenschaft mitgewirkt hat. Außerdem kann
er wegen Besorgnis der Befangenheit von einer Partei abgelehnt werden (z. B.
Mitteilung des Ergebnisses in einem der Verkündung des Urteils vorhergehenden
Pressegespräch).
2. Rechtspfleger
Rechtspfleger
ist der auf Grund eines dreijährigen Vorbereitungsdiensts ernannte, für
gesetzlich festgelegte Aufgaben (z. B. Mahnverfahren, Zwangsvollstreckung,
Insolvenzverfahren, ausgenommen rechtsprechende Gewalt) zuständige, sachlich
unabhängige Beamte des gehobenen Justizdiensts (§§ 1ff. RPflG).
3. Urkundsbeamter
Urkundsbeamter
ist der verschiedenartige Tätigkeiten (z. B. Aktenführung, Protokollführung,
Erteilung von Abschriften und Ausfertigungen) ausübende, an einer (z. B. auch
Ladungen und Zustellungen bewirkenden) Geschäftsstelle eines Gerichts tätige
Beamte der Justizverwaltung (§ 153 GVG).
4. Rechtsanwalt
Der
Rechtsanwalt ist das unabhängige Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO), von dem
eine Partei im Zivilprozess in verschiedenen Rechtsstreitigkeiten vertreten
werden muss (§ 78 ZPO, Anwaltszwang)
oder in allen Rechtsstreitigkeiten vertreten werden kann. Der Rechtsanwalt übt
einen freien Beruf aus. Er muss die Richteramtsbefähigung haben und zur
Rechtsanwaltschaft zugelassen sowie in eine bei (einem) Gericht geführte Liste
aufgenommen sein, kann aber auch als sog. europäischer Rechtsanwalt unter
besonderen Voraussetzungen mit besonderen Befugnissen tätig sein.
Der
Rechtsanwalt kann Mitglied einer Gesellschaft sein (z. B. Gesellschaft des
bürgerlichen Rechts [Sozietät], Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft mit
beschränkter Haftung, Aktiengesellschaft), der auch Wirtschaftsprüfer oder
Steuerberater angehören können. Das Rechtsverhältnis zu einem Mandanten beruht
auf einem Geschäftsbesorgungsdienstvertrag (§ 675 BGB). Die Vergütung bestimmt
sich grundsätzlich seit 2004 nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ohne
vollständige Berücksichtigung des tatsächlichen Arbeitsaufwands.
V. Zuständigkeit
Zuständigkeit
ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe. Deswegen
kommt es in der Gerichtsbarkeit auf die Zuständigkeit an. Dabei ist zwischen
internationaler Zuständigkeit, sachlicher Zuständigkeit, funktionaler
Zuständigkeit, örtlicher Zuständigkeit, Zuständigkeitsvereinbarung,
innergerichtlicher Zuständigkeit und gesetzlichem Richter zu unterscheiden (teils
ausschließlich oder zwingend, teils nicht ausschließlich oder von den Parteien
vereinbar).
1. Internationale Zuständigkeit
Eine
umfassende Regelung besteht nicht. Durch einzelne Bestimmungen ist die
internationale Zuständigkeit gesetzlich geregelt (z. B. 606a ZPO internationale
Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ehesachen z. B. wenn ein Ehegatte
Deutscher ist oder bei der Eheschließung war, wenn beide Ehegatten ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben usw.). Im Übrigen bestimmt sich die
internationale Zuständigkeit nach der örtlichen Zuständigkeit (der §§ 12ff.
ZPO), mit der grundsätzlich deren Recht (z. B. bei deutscher internationaler
Zuständigkeit deutsches Recht) anwendbar ist.
2. Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche
Zuständigkeit betrifft die Verteilung der Rechtsstreitigkeiten der ersten
Instanz auf das Amtsgericht oder das Landgericht. Nach § 1 ZPO wird die
sachliche Zuständigkeit der Gerichte durch das Gerichtsverfassungsgesetz
geregelt (§§ 23ff., 71 GVG). Danach umfasst die sachliche Zuständigkeit des
Amtsgerichts, sofern Rechtsstreitigkeiten nicht ohne Rücksicht auf den Wert des
Streitgegenstands den Landgerichten zugewiesen sind, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten
über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 5000
Euro nicht übersteigt (§ 23 Nr. 1 GVG), und ohne Rücksicht auf den Wert des
Streitgegenstands Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über
Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses (ausschließliche
Zuständigkeit), Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten,
Schiffern usw. über Wirtszechen,
Fuhrlohn usw., Streitigkeiten wegen Wildschadens, Ansprüche aus einem
Leibgedingsvertrag usw. und das Aufgebotsverfahren (§ 23 Nr. 2 GVG) sowie bürgerliche
Rechtsstreitigkeiten in Kindschaftssachen, Unterhaltssachen, Ehesachen usw. (§
23a GVG).
3. Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche
Zuständigkeit betrifft die Frage, welches örtliche Gericht für eine
Rechtsstreitigkeit zuständig ist. Sie bestimmt sich, sofern nicht ein anderer
ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, durch den allgemeinen
Gerichtsstand. Nach § 12 ZPO ist das Gericht, bei dem eine Person ihren
allgemeinen Gerichtsstand hat, grundsätzlich für alle gegen sie zu erhebenden
Klagen zuständig.
Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen
Person, an dem also grundsätzlich alle gegen sie gerichteten Klagen erhoben
werden müssen, wird durch ihren Wohnsitz
bestimmt (Art. 13 GVG). Unter gewissen Voraussetzungen kann es stattdessen auf
den Aufenthaltsort oder den letzten Wohnsitz ankommen (§§ 16, 20 ZPO).
Juristische Personen (und auch Gesellschaften des bürgerlichen Rechts) haben
ihren allgemeinen Gerichtsstand an ihrem Sitz
bzw. an dem Ort, an dem die Verwaltung geführt wird, der Fiskus am Sitz der
Behörde, die nach dem öffentlichen Recht zu seiner Vertretung im Rechtsstreit
berufen ist (§§ 17, 18 ZPO).
Neben dem
allgemeinen Gerichtsstand sieht die Zivilprozessordnung verschiedene besondere
Gerichtsstände vor. So können Unternehmen vor dem für eine gewerbliche
Niederlassung örtlich zuständigen Gericht (§ 21 ZPO), im Inland wohnsitzlose
Personen (z. B. Ausländer) vor dem für einen Vermögensgegenstand zuständigen
Gericht (§ 23 ZPO), Grundstücksberechtigte vor dem für das Grundstück
zuständigen Gericht (§ 24 ZPO), Parteien eines Schuldverhältnisses vor dem für
den Erfüllungsort zuständigen
Gericht (§ 29 ZPO) oder unerlaubt Handelnde vor dem für den Ort der unerlaubten Handlung
zuständigen Gericht (§ 32 ZPO) verklagt werden. Manche der Gerichtsstände sind ausschließlich (z. B. dinglicher
Gerichtsstand des § 24 ZPO, Gerichtsstand bei Miet- und Pachträumen § 29a ZPO, Gerichtsstand
bei Mahnverfahren § 689 II ZPO).
Unter
mehreren zuständigen Gerichten hat der Kläger die Wahl (§ 35 ZPO). In einigen
Fällen wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere
Gericht bestimmt (§ 36 ZPO). Sein Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 37 II ZPO).
4. Vereinbarer Gerichtsstand
Ein an sich
unzuständiges Gericht des ersten Rechtszugs wird durch Gerichtsstandsvereinbarung (Prorogation) von Kaufleuten,
juristischen Personen des öffentlichen Rechtes oder öffentlichrechtlichen Sondervermögen
zuständig (§ 38 ZPO). Zum Schutz Einzelner ist die Möglichkeit der
Gerichtsstandsvereinbarung im Übrigen eingeschränkt. Die Zuständigkeit eines
Gerichts des ersten Rechtszugs wird aber auch dadurch begründet, dass der
Beklagte ohne Rüge der Unzuständigkeit zur Hauptsache mündlich verhandelt (§ 39
ZPO), wobei das Amtsgericht den Beklagten nach § 504 ZPO auf seine sachliche
und örtliche Unzuständigkeit besonders hinweisen muss.
5. Folgen der Unzuständigkeit
Kommt das
Gericht zu dem Ergebnis, dass es unzuständig ist, muss es die Klage als
unzulässig abweisen. Auf Antrag des Klägers kann es auch durch Beschluss an das
nach seiner Ansicht zuständige Gericht verweisen (§ 281 ZPO). Diese
Entscheidung ist unanfechtbar und grundsätzlich bindend.
6. Gesetzlicher Richter
Innerhalb des
zuständigen Gerichts muss der zuständige Richter, die zuständige Kammer oder
der zuständige Senat nach den Regeln über die Geschäftsverteilung (§§ 21eff.
GVG) (vor Beginn des Geschäftsjahrs für dessen Dauer) bestimmt werden (§ 21g
GVG Geschäftsverteilung innerhalb eines mit mehreren Richtern besetzten
Spruchkörpers). Für jeden Streitfall muss im Voraus der Richter feststehen, der
für die Entscheidung zuständig ist, wobei nach Art. 101 I 2 GG niemand seinem
gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Allerdings ist dieses Grundrecht nur
verletzt, wenn willkürlich gehandelt wird, nicht dagegen wenn nur irrtümlich
bzw. fehlerhaft gehandelt wird.
§ 2 Verfahrensgrundsätze
Jedes
Verfahrensrecht ist durch Grundsätze (Prozessmaximen)
gekennzeichnet. Sie sind vielfach nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie
bilden aber den geistigen Hintergrund für gesetzliche Bestimmungen und
ermöglich von daher ihr zutreffendes Verständnis.
I. Dispositionsmaxime
Dispositionsmaxime
ist der Grundsatz, dass die Parteien frei (autonom) über den Rechtsstreit
disponieren können. Sie zeigt sich an verschiedenen Stellen. Allerdings
herrscht sie nicht uneingeschränkt.
1. Verfahrenseinleitung
Der
Zivilprozess wird grundsätzlich durch den Kläger eingeleitet (§ 253 ZPO). Wo
kein Kläger eine Klage erhebt, kann kein Richter ein Urteil fällen. Allerdings
muss an manchen Stellen der Staat zum notwendigen Schutz Einzelner auch von
Amts wegen ohne einen Antrag eines Einzelnen ein Verfahren (z. B. der
freiwilligen Gerichtsbarkeit) einleiten (Offizialmaxime).
2. Antragsbindung
Die Anträge
der Parteien bestimmen, worüber das Gericht entscheiden darf. Das Gericht darf
einer Partei grundsätzlich weder etwas zusprechen noch etwas absprechen, was
sie nicht beantragt hat (§ 308 ZPO). Allerdings darf das Gericht einer Partei
weniger zusprechen und mehr absprechen, als sie beantragt hat, und muss das
Gericht auf die Stellung sachdienlicher Anträge durch die Parteien hinwirken (§
139 I 2 ZPO).
3. Verfahrensbeendigung
Der Kläger kann
auf seinen Anspruch verzichten (Verzichtsurteil § 306 ZPO) oder die Klage (nach
mündlicher Verhandlung zur Hauptsache nur mit Zustimmung des Beklagten)
zurücknehmen (§ 269 ZPO). Der Beklagte kann grundsätzlich den Anspruch
anerkennen (Anerkenntnisurteil § 307 ZPO). Beide Parteien können im Weg des
gegenseitigen Nachgebens einen Vergleich schließen (vgl. § 794 I 1 ZPO).
4. Rechtsmittel
Die
unterlegene Partei kann gegen das Urteil des Gerichts unter bestimmten
Voraussetzungen ein Rechtsmittel einlegen (§§ 511ff. ZPO). Ohne diese
Rechtsmitteleinlegung darf das höhere Gericht das Urteil nicht überprüfen. Der
Rechtsmittelkläger bestimmt durch seinen Rechtsmittelantrag den Inhalt des
Rechtsmittelverfahrens.
II. Verhandlungsmaxime
1. Beibringung der Tatsachen
Die
Beibringung der Tatsachen ist Aufgabe der Parteien (Beibringungsgrundsatz). Das Gericht muss nur das Recht auf die
vorgebrachten Tatsachen anwenden und kann es nicht anwenden auf nicht
vorgebrachte Tatsachen, darf also grundsätzlich nicht von sich aus untersuchen
(Untersuchungsgrundsatz, Inquisitionsmaxime, anders z. B. §§ 341, 519b ZPO). Es
kann allerdings anregen, dass bestimmte Tatsachen von den Parteien vorgetragen
werden (§ 139 I 2 ZPO).
2. Beweisbedürftigkeit der Tatsachen
Ob eine
beigebrachte Tatsache vom Beibringenden bewiesen werden muss, bestimmt der
Streitgegner. Bestreitet er die beigebrachte Tatsache nicht oder gesteht er sie
ausdrücklich zu, ist ein Beweis nicht nötig. Selbst bei einem bewusst unwahren
Geständnis ist das Gericht grundsätzlich an sein Verhalten gebunden.
3. Benennung der Beweismittel
Grundsätzlich
ist die Benennung der Beweismittel Aufgabe der Partei. Allerdings kann das
Gericht Beweise auch von Amts wegen erheben (§§ 142 ff. ZPO). Es hat jedoch
keine Pflicht, alle in Betracht kommenden Beweise von Amts wegen zu erheben.
III. Mündlichkeitsgrundsatz
Nur das von
den Parteien mündlich Vorgebrachte ist Grundlage der Entscheidung des Gerichts.
Dabei bilden sämtliche einzelnen Verhandlungstermine in ihrer Gesamtheit eine
einheitliche mündliche Verhandlung. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch
eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich (§ 128 ZPO).
IV. Öffentlichkeitsgrundsatz
Die
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der
Urteile und Beschlüsse ist öffentlich (§§ 169, 173 GVG, anders für bestimmte
Familiensachen).
V. Unmittelbarkeitsgrundsatz
Die Parteien
verhandeln vor dem erkennenden Gericht (§ 128 ZPO). Die Beweisaufnahme erfolgt
grundsätzlich vor dem Gericht (§ 355 I ZPO). Das Urteil darf nur von den
Richtern gefällt werden, die der ihm zugrundeliegenden (letzten mündlichen)
Verhandlung beigewohnt haben (§ 309 ZPO).
VI. Rechtliches Gehör
Vor Gericht
hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG). Das rechtliche
Gehör muss grundsätzlich vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung gewährt
werden. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs in einer erstinstanzlichen
Entscheidung kann durch Rechtsmittel bzw. gemäß § 321a ZPO geltend gemacht
werden.
§ 3 Erkenntnisverfahren
Der Zivilprozess
beginnt mit dem Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug. Ihm geht in der
Rechtswirklichkeit außerhalb des Gerichtsverfahrens die Vorbereitung durch den
Kläger und gegebenenfalls einen Rechtsanwalt oder mehrere Rechtsanwälte voraus,
mit der die Gerichtsbarkeit grundsätzlich aber nicht befasst ist, sondern der
Kläger mit Hilfe seiner rechtskundigen Berater entscheiden muss, ob er
ausreichende Aussicht auf eine erfolgreiche Rechtsverfolgung durch Klage zu
haben scheint. Ist im Erkenntnisverfahren auf Klage des Klägers festgestellt,
was Recht ist, so kann dieses Recht im anschließenden
Zwangsvollstreckungsverfahren mit Hilfe staatlicher Gewalt auch gegen den
Willen des Gegners durchgesetzt werden.
I. Partei
1. Wesen
Im
Zivilprozess stehen sich regelmäßig zwei Parteien mit gegensätzlichen
Zielsetzungen (kontradiktorisch) gegenüber. Sie sind nicht identisch mit den an
dem streitigen Rechtsverhältnis (materiell) Beteiligten. Partei eines Prozesses
ist vielmehr, wer in dem durch die Klageerhebung begründeten Prozessrechtsverhältnis
Rechtsschutz begehrt und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird (sog. formeller
Parteibegriff).
Wer ein Recht
hat, kann es meist auch in eigenem Namen im Prozess geltend machen. Macht er
ein ihm nicht zustehendes Recht im eigenen Namen prozessual geltend
(Prozessstandschaft), benötigt er eine Prozessführungsbefugnis. Sie kann sich
aus Gesetz (z. B. Insolvenz, Testamentsvollstreckung, Zwangsverwaltung,
Nachlassverwaltung) ergeben oder aus Rechtsgeschäft (gewillkürte Prozessstandschaft
bei eigenem rechtlichem Interesse, str.).
Mit der
Zustellung der Klage werden die in der Klageschrift als Partei bezeichneten
Personen Partei. Kläger ist, wer Rechtsschutz begehrt. Beklagter ist, gegen wen
Rechtsschutz begehrt wird.
2. Parteiänderung
Stirbt eine
Partei, muss der Rechtsnachfolger in den Prozess eintreten und ihn so
übernehmen, wie er ihn vorfindet. Allerdings tritt bei fehlender Vertretung
eine Unterbrechung des Verfahrens ein (§ 239 ZPO). Ist eine Partei Alleinerbe
der anderen Partei, endet der Prozess.
Bei einem
gewillkürten Klägerwechsel müssen alle Beteiligten zustimmen. Bei einem
Beklagtenwechsel ist in der zweiten Instanz eine Zustimmung des (neuen) Beklagten
nötig, der bisherige Beklagte muss seinem Ausscheiden zustimmen. In der
Revisionsinstanz ist ein Parteiwechsel unzulässig.
3. Parteifähigkeit und
Prozessfähigkeit
Parteifähigkeit ist die Fähigkeit, Partei eines
Prozesses (Zivilprozesses) zu sein. Nach § 50 I ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist, also jede natürliche
Person und jede juristische Person. Darüber hinaus sind auch offene
Handelsgesellschaft (vgl. § 124 HGB), Kommanditgesellschaft, Europäische
Wirtschaftliche Interessengemeinschaft, Partnerschaftsgesellschaft und Außengesellschaft
des bürgerlichen Rechts sowie in Arbeitsgerichtsprozessen (auch als
nichtrechtsfähige Vereine bestehende) Gewerkschaften und Vereinigungen von
Gewerkschaften (§ 10 ArbGG) und allgemein politische Parteien (§ 3 PartG)
parteifähig.
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, vor Gericht zu
stehen (§ 51 I ZPO), bzw. die Fähigkeit, Prozesshandlungen
wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Prozessfähig ist, wer sich durch
Verträge verpflichten kann (§ 52 ZPO, d. h. geschäftsfähig ist), prozessunfähig
also, wer sich nicht durch Verträge verpflichten kann. Prozessunfähige werden
durch gesetzliche Vertreter (z. B. Eltern, Vormund) oder Organe (z. B. Vorstand
der juristischen Person) vertreten.
Ein Betreuter
ist prozessfähig, soweit er nicht unter Einwilligungsvorbehalt steht.
Allerdings stellt § 53 ZPO die in einem Rechtsstreit durch einen Betreuer oder
Pfleger vertretene prozessfähige Person einer nicht prozessfähigen Person
gleich. Der unter Einwilligungsvorbehalt stehende Betreute ist prozessunfähig.
Parteifähigkeit
und Prozessfähigkeit sind Zulässigkeitsvoraussetzungen (Prozessvoraussetzungen,
Sachurteilsvoraussetzungen). Ihr Vorliegen hat das Gericht in jeder Lage des
Rechtsstreits zu berücksichtigen. Fehlen sie, ist die Klage durch Prozessurteil
als unzulässig abzuweisen.
Darüber
hinaus sind Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit auch
Prozesshandlungsvoraussetzungen. Bei ihrem Fehlen sind die von einer Partei
oder gegen eine Partei vorgenommenen Prozesshandlungen grundsätzlich unwirksam.
Sie können aber vom gesetzlichen Vertreter oder der prozessfähig gewordenen
Partei selbst genehmigt werden.
4. Postulationsfähigkeit und
Prozessstellvertretung
Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, selbst wirksam
Prozesshandlungen vornehmen zu können. Sie steht jedem Prozessfähigen vor dem
Amtsgericht zu, fehlt ihm aber dort, wo seine Vertretung durch einen
Rechtsanwalt gesetzlich vorgeschrieben ist (Anwaltsprozess). Sie ist
Prozesshandlungsvoraussetzung, so dass ohne Postulationsfähigkeit vorgenommene
Prozesshandlungen grundsätzlich unwirksam sind.
Prozessstellvertretung ist die Stellvertretung der Partei
durch einen Stellvertreter. Im Anwaltsprozess kann nur ein Rechtsanwalt
Stellvertreter sein. Nur er darf für die Partei Prozesshandlungen ausführen
oder entgegennehmen.
Der
Prozessstellvertreter muss für den Vertretenen handeln wollen. Er benötigt eine
Prozessvollmacht. Sie beruht
grundsätzlich auf einem Geschäftsbesorgungsdienstvertrag und wird durch das
einseitige Rechtsgeschäft der Bevollmächtigung erteilt.
Das Fehlen
der Vertretungsmacht ist grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 88
II ZPO). Das Fehlen der Vertretungsmacht eines Rechtsanwalts wird nur auf Grund
einer Rüge des Gegners beachtet (§ 88 I ZPO). Die Vertretungsmacht ist Zulässigkeitsvoraussetzung,
so dass bei ihrem Fehlen eine Klage als unzulässig abgewiesen wird, und
Prozesshandlungsvoraussetzung, so dass ohne Vertretungsmacht vorgenommene
Prozesshandlungen unwirksam sind.
5. Streitgenossenschaft
Auf der Seite
des Klägers (aktive Streitgenossenschaft) und auf der Seite des Beklagten
(passive Streitgenossenschaft) können mehrere Personen (Streitgenossen) stehen
(subjektive Klagenhäufung). Mehrere Personen können als Streitgenossen
gemeinschaftlich (nur) klagen und verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des
Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen (z. B. Gesamtschuldner,
Miteigentümer) oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund
berechtigt (z. B. Vertrag) oder verpflichtet (z. B. unerlaubte Handlung) sind
(§ 59 ZPO) oder wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen
tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen
den Gegenstand des Rechtsstreits bilden (§ 60 ZPO). Streitgenossen (der
einfachen Streitgenossenschaft) stehen, soweit nicht aus den Vorschriften des
bürgerlichen Rechts oder dieses Gesetzes (z. B. Verhandlung, Beweisaufnahme)
sich ein anderes ergibt, dem Gegner so als Einzelne gegenüber, dass die
Handlungen des einen Streitgenossen dem anderen Streitgenossen weder zum
Vorteil noch zum Nachteil gereichen (§ 61 ZPO).
Kann das streitige
Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt
werden (z. B. Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses einer
Aktiengesellschaft, Erbengemeinschaft) oder ist die Streitgenossenschaft aus
einem sonstigen Grund eine notwendige
Streitgenossenschaft, so werden, wenn ein Termin oder eine Frist nur von
einzelnen Streitgenossen versäumt wird, die säumigen Streitgenossen als durch
die nicht säumigen Streitgenossen vertreten angesehen (§ 62 I ZPO)
6. Beteiligung Dritter am Rechtsstreit
a) Hauptintervention
Wer eine Sache oder ein Recht, worüber zwischen anderen Personen ein
Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt,
ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt,
seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem
Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug
anhängig gemacht wurde (§ 64 ZPO), wobei der Hauptprozess auf Antrag einer
Partei bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptintervention
ausgesetzt werden kann (§ 65 ZPO).
b) Nebenintervention
Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen
Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiegt (z. B.
Rechtsnachfolger), kann dieser Partei in jeder Lage des Verfahrens bis zur
rechtskräftigen Entscheidung durch Einreichung eines Schriftsatzes (§ 70 I 1
ZPO) beitreten (Nebenintervention, § 66 I ZPO). Er muss (als Gehilfe der
Partei) den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der er sich zur Zeit seines
Beitritts befindet, und darf Angriffsmittel und Verteidigungsmittel geltend
machen und alle Prozesshandlungen wirksam vornehmen, soweit nicht seine
Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in
Widerspruch stehen (§ 67 ZPO). Er wird im Verhältnis zur Hauptpartei nicht mit
der Behauptung gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen
hat, unrichtig entschieden ist, und mit der Behauptung mangelhafter
Prozessführung der Hauptpartei nur eingeschränkt gehört (§ 68 ZPO).
c) Streitverkündung
Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs eines
Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen
einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt,
kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten (durch
Einreichung und Zustellung eines Schriftsatzes) gerichtlich den Streit
verkünden (§ 72 I ZPO). Tritt der Dritte dem Streitverkünder bei, bestimmt sich
sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention
(§ 74 I ZPO). Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so
wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt (§ 74 II ZPO).
II. Klage
1. Wesen
Klage ist das Begehren einer Person um Rechtsschutz gegen eine andere
Person an das zuständige Gericht.
2. Arten
a) Leistungsklage
Leistungsklage ist die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte zur
Erbringung der eingeklagten Leistung (z. B. Zahlung, Übereignung, Übergabe, Duldung
der Zwangsvollstreckung, Unterlassung) verpflichtet ist, und auf Ausspruch des
staatlichen Befehls gegenüber dem Beklagten, an den Kläger zu leisten.
b) Feststellungsklage
Feststellungsklage ist die Klage auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
(d. h. irgendeiner rechtlich geregelten Beziehung zwischen Personen oder
zwischen Personen und Gegenständen, die sich durch Anwendung bestimmter
Rechtssätze auf einen bestimmten Sachverhalt ergibt), auf Anerkennung einer
Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit (§ 256 I ZPO,
Zwischenfeststellungsklage § 256 II ZPO). Sie erfordert grundsätzlich (anders
Zwischenfeststellungsklage § 256 II ZPO) ein rechtliches Interesse des Klägers
an alsbaldiger Feststellung (Rechtsschutzbedürfnis),
dessen Fehlen die Klage unzulässig macht (Zulässigkeitsvoraussetzung,
Prozessvoraussetzung, Sachurteilsvoraussetzung). Die Feststellungsklage ist
gegenüber der Leistungsklage subsidiär.
c) Gestaltungsklage
Gestaltungsklage ist die auf unmittelbare Herbeiführung (Gestaltung)
einer Rechtsänderung gerichtete Klage (z. B. Ehescheidungsklage,
Ehelichkeitsanfechtungsklage, Aktiengesellschaftsnichtigkeitsklage, Urteilsabänderungsklage,
Vollstreckungsgegenklage, Drittwiderspruchsklage). Das ihr folgende, dem Kläger
das Begehrte zusprechende Urteil ändert die Rechtslage. Es bedarf keiner
Zwangsvollstreckung.
3. Erhebung
Mit der Klage wendet sich der Kläger grundsätzlich an das Gericht. Sie
ist gegen den Beklagten gerichtet. Deswegen muss sie bei Gericht eingereicht
und dem Beklagten zugestellt werden.
Die Erhebung der Klage erfolgt also in zwei Schritten. Mit der Einreichung
der Klageschrift bei Gericht ist die Klage anhängig. Mit der Zustellung der
Klage an den Gegner ist die Klage rechtshängig.
Nach § 260 ZPO kann der Kläger gegen denselben Beklagten mehrere
(prozessuale) Ansprüche in derselben Klage geltend machen, auch wenn sie auf
verschiedenen Gründen beruhen (objektive Klagenhäufung), sofern für sämtliche
Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.
a) Form
Die Klage ist grundsätzlich schriftlich (durch einen Schriftsatz bzw.
eine Klageschrift) einzureichen (§ 253 V ZPO, unter Beifügung der für ihre
Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften). Im Verfahren
vor den Amtsgerichten ist stattdessen auch die mündliche Anbringung zum
Protokoll der Geschäftsstelle möglich (§ 496 I ZPO). Nach § 130a I ZPO genügt
für die Schriftform die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn dieses
für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist, wobei die verantwortende
Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem
Signaturgesetz versehen soll.
b) Inhalt
Nach § 253 II ZPO muss die Klageschrift die (bestimmte) Bezeichnung der
Parteien und des Gerichts, die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes
des erhobenen Anspruchs (Streitgegenstands) sowie einen bestimmten(, die Gefahr
von Verwechslungen ausschließenden, die Zwangsvollstreckung ohne Weiteres
ermöglichenden, in gewissen Fällen aber auch unbeziffert möglichen) Antrag
enthalten. Der Kläger muss die Tatsachen angeben, aus denen er die geltend
gemachte Rechtsfolge herleitet. Die Klageschrift soll ferner die Angabe des
Wertes des Streitgegenstands enthalten, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts
abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht,
sowie eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den
Einzelrichter Gründe (z. B. besondere Schwierigkeit, grundsätzliche Bedeutung)
entgegenstehen (§ 253 III ZPO).
4. Zulässigkeit
Die Zulässigkeit der Klage hängt von an das Gericht, an die Parteien, an
den Streitgegenstand oder an ein besonderes Verfahren anknüpfenden Voraussetzungen ab. Dies sind die
deutsche Gerichtsbarkeit, die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den
Zivilgerichten, die internationale Zuständigkeit, die örtliche Zuständigkeit, die
sachliche Zuständigkeit und die funktionelle Zuständigkeit, die
Parteifähigkeit, die Prozessfähigkeit, (bei Fehlen der Prozessfähigkeit) die
gesetzliche Vertretung, die Wirksamkeit der gewillkürten Vertretung, die Prozessführungsbefugnis,
das Rechtsschutzbedürfnis, die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, das Fehlen
anderweitiger Rechtshängigkeit des Streitgegenstands, das Fehlen einer
rechtskräftigen Entscheidung über den Streitgegenstand, nach Landesrecht bei
bestimmten Streitigkeiten (§ 15a EGZPO, bis zu einem Streitwert von 750 Euro,
aus Nachbarrecht oder wegen Ehrverletzung) der Versuch der einvernehmlichen
Beilegung der Streitigkeit vor einer Gütestelle sowie die in den §§ 592ff.,
323, 578ff., 257ff. und 256 II ZPO für einzelne Verfahrensarten aufgestellten
besonderen Voraussetzungen. Das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen
(noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) ist grundsätzlich am
Beginn des Rechtstreits, aber außerdem auch in jeder Lage des Rechtsstreits von
Amts wegen zu prüfen, doch hat nach § 282 III der Beklagte diesbezügliche Rügen
gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen (§ 282 III
1 ZPO).
Fehlt deutsche Gerichtsbarkeit, funktionelle Zuständigkeit, Unterschrift
unter der Klage, Postulationsfähigkeit oder der nach § 65 GKG zu zahlende
Gerichtskostenvorschuss, so erfolgt keine
Zustellung, so dass kein Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Fehlt eine
andere Prozessvoraussetzung, wird die Klage (nach erfolglosem Hinweis auf eine
Heilungsmöglichkeit durch Abhilfe nach § 139 ZPO) durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Einige weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
werden nur berücksichtigt, wenn die Partei sich auf sie besonders beruft (z. B.
§ 88 II ZPO fehlende Vollmacht eines Rechtsanwalts, §§ 110, 269 VI, 1032 I ZPO).
Nach § 280 I ZPO kann das Gericht anordnen, dass über die Zulässigkeit
der Klage abgesondert verhandelt wird. Die Verhandlung kann mit einem
Zwischenurteil abgeschlossen werden. Ein solches Zwischenurteil ist (im
Gegensatz zu anderen Zwischenurteilen) in Betreff der Rechtsmittel als
Endurteil anzusehen (§§ 280 I 1 ZPO, beachte auch § 280 II 2 ZPO).
5. Streitgegenstand
Streitgegenstand ist das durch den gestellten Antrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt gekennzeichnete, auf rechtskräftige Feststellung einer Rechtsfolge
gerichtete Begehren des Klägers
(sog. zweigliedriger Streitgegenstand). Der Streitgegenstand ist nicht
identisch mit dem materiellrechtlichen Anspruch. Dementsprechend liegt nur ein
Streitgegenstand vor, wenn sich aus dem Sachverhalt mehrere konkurrierende
materiellrechtliche Ansprüche (z. B. aus unerlaubter Handlung und aus
Gefährdungshaftung) ergeben, und wird der Streitgegenstand ein anderer, wenn
ein anderer Sachverhalt vorgetragen oder ein anderer Antrag gestellt wird.
6. Wirkungen
a) Rechtshängigkeit
Durch die durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift) erfolgende
Erhebung der Klage (§ 253 I ZPO) wird die Rechtshängigkeit der Streitsache
begründet (§ 261 I ZPO). Infolge der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von
keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden (§ 261 III Nr. 1 ZPO), so
dass eine gleichwohl während der Rechtshängigkeit erhobene (zweite) Klage (über
denselben Streitgegenstand) als unzulässig abgewiesen werden muss. Die
Zuständigkeit des Prozessgerichts wird (nach Rechtshängigkeit) durch eine
Veränderung der sie begründenden Umstände nicht (mehr) berührt (§ 261 III Nr. 2
ZPO, beachte auch §§ 204 I Nr. 1, 291, 292, 989 BGB).
b) Klageänderung
Nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch abgeschlossene Klageerhebung ist
eine Klageänderung grundsätzlich ausgeschlossen, weil der Beklagte wissen
können muss, wogegen er sich verteidigen muss. Willigt er jedoch in eine
Klageänderung ein oder erachtet sie das Gericht als sachdienlich, ist eine
Klageänderung auch nach Rechtshängigkeit zulässig (§ 263 ZPO). Nicht als
Klageänderung ist es dabei nach § 264 ZPO anzusehen, wenn ohne Änderung des
Klagegrundes die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder
berichtigt werden, der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf
Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird oder statt des ursprünglich
geforderten Gegenstands wegen einer später eingetretenen Veränderung ein
anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird (§ 264 ZPO).
c) Veräußerung oder Abtretung der im
Streit befangenen Sache
Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei
nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend
gemachten Anspruch abzutreten (§ 265 I ZPO, beachte § 266 ZPO). Der bisher
Berechtigte verliert zwar sein Recht, ist aber prozessführungsbefugt
(Prozessstandschaft). Das für oder gegen ihn ergehende Urteil wirkt für und
gegen den Erwerber (§ 325 I ZPO).
III. Verfahrensablauf
1. Prozessleitung
Trotz der Dispositionsmaxime und der Verhandlungsmaxime wird der äußere
Fortgang des Prozesses in weitem Umfang durch das Gericht bewirkt. Für ihn gilt
im Wesentlichen der Amtsbetrieb. Ladungen (Aufforderungen zum
Erscheinen) zu Terminen (§ 214 ZPO), Bestimmungen der Termine (Zeitpunkte zur mündlichen Verhandlung, zur Beweisaufnahme
oder zur Verkündung einer Entscheidung) (§ 216 ZPO) und Zustellungen (Bekanntgaben von Schriftstücken an Betroffene in
bestimmten vorgeschriebenen Formen mit Nachweis in vorgeschriebenen Formen z.
B. durch Post, evtl. öffentliche Zustellung) (§§ 166 II, 317 I ZPO) erfolgen
von Amts wegen.
2. Mündliche Verhandlung
Nach § 272 I ZPO ist der Rechtsstreit in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung
(Haupttermin) zu erledigen. Dazu hat jede Partei in der mündlichen
Verhandlung ihre Angriffsmittel und Verteidigungsmittel, insbesondere
Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und
Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer
sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung
entspricht (§ 282 I ZPO). Nicht rechtzeitig mitgeteilte Angriffsmittel und Verteidigungsmittel
können zurückgewiesen werden (§ 296 II ZPO).
Das Gericht hat für die Erledigung des Prozesses in einem Termin die Wahl
zwischen zwei Möglichkeiten. Der Vorsitzende kann einen frühen ersten Termin
zur mündlichen Verhandlung bestimmen. Er kann aber auch ein schriftliches
Vorverfahren veranlassen (§ 272 II ZPO).
Im Einzelnen kann das Gericht den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung
ihrer vorbereitenden Schriftsätze aufgeben (§ 273 II Nr. 1 ZPO). Es kann das
persönliche Erscheinen der Parteien anordnen (§§ 273 II Nr. 3, 141 ZPO). Es
kann die Vorlage von Urkunden anordnen und Zeugen sowie Sachverständige zur
mündlichen Verhandlung laden (§ 273 II Nr. 4, 5 ZPO).
Bestimmt das Gericht (bzw. der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied
des Prozessgerichts) einen frühen ersten Termin, kann es dem Beklagten eine
Frist zur schriftlichen Klageerwiderung setzen (§§ 275 I 1, 277 III ZPO) oder
muss es ihn auffordern, seine Verteidigungsmittel unverzüglich in einem
Schriftsatz dem Gericht mitzuteilen (§ 275 I 2 ZPO). In der Klageerwiderung hat
der Beklagte seine Verteidigungsmittel vorzubringen, soweit es nach der
Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten
Prozessführung entspricht (§ 277 I 1 ZPO). Die Klageerwiderung soll ferner eine
Äußerung dazu enthalten, ob einer Entscheidung der Sache durch den
Einzelrichter Gründe entgegenstehen (§ 277 I 2 ZPO).
Bestimmt der Vorsitzende (oder der Richter am Amtsgericht) keinen frühen
ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der
Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies
binnen einer Notfrist (nach § 224 I 1 ZPO nicht abkürzbare oder verlängerbare
Frist, gegen deren unverschuldete Nichteinhaltung die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt werden kann,) von zwei Wochen nach Zustellung der
Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen (§§ 276 I 1 ZPO). Zugleich ist
dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen
Klageerwiderung zu setzen (§ 276 I 2 ZPO). Erklärt der Beklagte nicht
fristgerecht seinen Verteidigungswillen, entscheidet das Gericht auf Antrag des
Klägers ohne mündliche Verhandlung (§ 331 III ZPO, Versäumnisurteil).
Im Haupttermin wird die mündliche Verhandlung vom Vorsitzenden eröffnet
und geleitet (§ 136 I ZPO). Der ersten mündlichen Verhandlung in erster Instanz
geht grundsätzlich eine Güteverhandlung voraus (§ 278 II 1 ZPO). Sie soll eine
einvernehmliche Streitbeilegung bewirken.
Von der Güteverhandlung kann das Gericht nur absehen, wenn bereits ein
Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle (erfolglos)
stattgefunden hat oder die Güteverhandlung erkennbar aussichtslos erscheint (§
278 II 1 ZPO). Für die Güteverhandlung soll das persönliche Erscheinen der
Parteien angeordnet werden (§ 278 III ZPO). Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sachstand und
Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern,
darf eine außergerichtliche Streitschlichtung vorschlagen, darf aber keine
Entscheidung zur Hauptsache treffen (§ 278 II 2, V 2 ZPO).
Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die
Güteverhandlung erfolglos, soll sich die mündliche Verhandlung (früher erster
Termin oder Haupttermin) unmittelbar anschließen oder ist unverzüglich Termin
zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen (§ 279 ZPO). Die mündliche Verhandlung
beginnt mit der Stellung der Sachanträge durch die Parteien (§ 137 I ZPO). Ihr
folgt die streitige Verhandlung in der Form der Sachvorträge und Rechtsvorträge
der Rechtsanwälte der Parteien bzw. der Parteien (§ 137 II, IV ZPO).
Das Gericht muss, soweit dies erforderlich ist, das Sachverhältnis und
Streitverhältnis nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite erörtern und
Fragen stellen (§ 139 I 1 ZPO). Es muss dahin wirken, dass die Parteien sich
rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären,
insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen,
die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen (§ 139 I 2
ZPO). Es muss möglichst früh seine Rechtsauffassung zu erkennbar übersehenen
oder für unerheblich gehaltenen Gesichtspunkten darlegen (und zwecks Nachweises
aktenkundig machen), um Überraschungen auszuschließen (§ 139 II, IV 1 ZPO).
Im Haupttermin soll der streitigen Verhandlung die Beweisaufnahme
unmittelbar folgen (§ 279 II ZPO). Dies ist allerdings nur bei umfassender
Vorbereitung möglich. Es trägt aber zur Beschleunigung erheblich bei.
Im Anschluss an die Beweisaufnahme hat das Gericht erneut den Sachstand
und Streitstand und, soweit bereits möglich, das Ergebnis der Beweisaufnahme
mit den Parteien zu erörtern (§ 279 III ZPO). Dabei haben auch die Parteien
über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu verhandeln (§ 285 I ZPO). Ist die
Streitsache auf Grund des Haupttermins entscheidungsreif, wird die mündliche
Verhandlung geschlossen und ergeht ein entweder sofort oder in einem
besonderen, sofort anzuberaumenden Verkündungstermin verkündetes Urteil.
Ist der Prozess noch nicht entscheidungsreif, kann der Haupttermin
vertagt werden (§ 227 I ZPO). Stellt sich nach Schluss der mündlichen
Verhandlung die fehlende Entscheidungsreife heraus, kann die Wiedereröffnung
der Verhandlung angeordnet werden. Zugleich kann ein weiterer Termin zur Verhandlung
bestimmt werden (§ 156 ZPO).
Über die Verhandlung (einschließlich jeder Beweisaufnahme) ist ein
Protokoll aufzunehmen (§ 159 I ZPO). Es ist (grundsätzlich) von einem
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu führen, von den Beteiligten zu genehmigen
(§ 162 ZPO) und vom Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu
unterschreiben (§ 163 ZPO). Es beweist grundsätzlich die Einhaltung der für die
mündliche Verhandlung zu beachtenden Bestimmungen, kann aber seinerseits als
gefälscht erwiesen werden (§ 165 ZPO).
Unterbrochen wird das Verfahren durch den Tod einer (nicht vertretenen)
Partei (§ 239 I ZPO), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen
(§ 2430 ZPO), den Verlust der Prozessfähigkeit einer (nicht vertretenen)
Partei, den Tod ihres gesetzlichen Vertreters oder den Verlust seiner
Vertretungsbefugnis (§ 241 I ZPO), den Eintritt der Nacherbfolge (§ 242 ZPO,
beachte § 246 ZPO) und im Anwaltsprozess den Tod oder die Unfähigkeit des Rechtsanwalts,
den Prozess weiterzuführen, sowie den Stillstand der Rechtspflege (§ 245 ZPO).
Auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen kann das Ruhen des Verfahrens
angeordnet werden (§§ 251, 278 IV ZPO). Den tatsächlichen Stillstand des
Verfahrens kann das Gericht durch eine Entscheidung nach Lage der Akten beenden
(§ 251a ZPO).
3. Parteiverhalten
Parteiverhalten ist das Verhalten einer Partei im Rechtsstreit. Es ist
von den Staatsakten des Gerichts grundsätzlich zu unterscheiden. Es besteht im
Wesentlichen in Handlungen zur Einleitung, Gestaltung oder Beendigung des
Prozesses (Prozesshandlungen).
a) Wesen
Prozesshandlung ist die Handlung der Partei im Prozess. Eine allgemeine
gesetzliche Regelung fehlt. Teils werden die Wirkungen nur oder hauptsächlich
vom Prozessrecht bestimmt (z. B. Geständnis, Rechtsmitteleinlegung, Klageerhebung,
Prozessvertrag, Erteilung von Prozessvollmacht), teils auch oder hauptsächlich
vom materiellen Recht (z. B. Veräußerung des Streitgegenstands, Aufrechnung,
Anfechtung, Kündigung, Vergleich).
b) Arten
Es werden Erwirkungshandlungen und Bewirkungshandlungen unterschieden.
Erwirkungshandlungen sollen auf das Gericht einwirken und wirken erst, wenn das
Gericht die gewünschte Handlung vornimmt (z. B. Beweisantrag,
Vertagungsantrag). Bewirkungshandlungen gestalten demgegenüber die Rechtslage
unmittelbar (z. B. Klagerücknahme, Geständnis, Anerkenntnis, Verzicht,
Rechtsmitteleinlegung, Rechtsmittelverzicht).
c) Behandlung
Die Voraussetzungen der Prozesshandlungen bestimmt grundsätzlich das
Prozessrecht. Klare und eindeutige Prozesshandlungen sind nicht
auslegungsfähig. Prozesshandlungen sind grundsätzlich bedingungsfeindlich.
d) Einzelfälle
aa) Verteidigung
Der Beklagte ist zur Verteidigung nicht gezwungen. In der Regel
verteidigt er sich aber. Er stellt den Antrag auf Abweisung der Klage und
begründet ihn mit Unzulässigkeit und bzw. oder Unbegründetheit der Klage.
Soweit der Beklagte sich zu den Behauptungen des Klägers nicht äußert,
werden die vom Kläger behaupteten Tatsachen als zugestanden und damit als wahr
angesehen (§ 138 III ZPO). Soweit er sich äußert, müssen seine Erklärungen nach
seinem Kenntnisstand wahrheitsgetreu und vollständig sein. Bestreitet er eine
entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptung ausreichend, muss sie vom
Beweisbelasteten bewiesen werden.
Statt Tatsachenbehauptungen des Klägers zu bestreiten, kann der Beklagte
sie zugestehen und seinerseits Tatsachen vortragen, die das Entstehen des
klägerischen Anspruchs verhindern (ja, aber-Prinzip). Solche Einreden (des
Zivilprozessrechts) sind die rechtshindernden Einwendungen (z. B.
Geschäftsunfähigkeit, Formnichtigkeit), die rechtsvernichtenden Einwendungen
(z. B. Anfechtung, Erfüllung, Erlass) und die Einreden (z. B. Verjährung). Der
Kläger kann dann seinerseits leugnen oder eine Gegeneinrede (Replik) (ja,
aber-Prinzip) erheben, der Beklagte kann seinerseits leugnen oder eine
Gegengegeneinrede (Duplik) erheben.
bb) Geständnis
Der Beklagte kann vom Kläger behauptete Tatsachen (ausdrücklich oder
stillschweigend) zugestehen (§ 288 ZPO), wofür bloßes Nichtbestreiten nicht
genügt. Dann bedürfen sie keines Beweises. Er kann dieses Geständnis nur unter
engen Voraussetzungen widerrufen (§ 290 ZPO).
cc) Aufrechnung
Es ist zwischen materiellrechtlicher Aufrechnungserklärung und ihrer
Geltendmachung im Prozess zu unterscheiden. Im Allgemeinen wird Aufrechnung im
Prozess nur für den Fall erklärt, dass das Gericht das Bestehen der
Klageforderung annimmt. Wird die Klage wegen Erlöschens der Klageforderung
durch Aufrechung abgewiesen, nimmt diese Feststellung an der Rechtskraftwirkung
des § 322 II ZPO teil.
dd) Verzicht
Verzichtet der Kläger bei der mündlichen Verhandlung auf den geltend
gemachten Anspruch (rechtstatsächlich selten), so ist er auf Grund des
Verzichts (Prozesshandlung) mit dem Anspruch auf Antrag des Beklagten abzuweisen
(Verzichtsurteil) (§ 306 ZPO).
ee) Anerkenntnis
Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch an, so ist
sie dem Anerkenntnis (Prozesshandlung) gemäß zu verurteilen (Anerkenntnisurteil)
(§ 307 ZPO).
ff) Widerklage
Widerklage ist die Klage des Beklagten (grundsätzlich nur) gegen den
Kläger im anhängigen Verfahren über einen anderen prozessualen Anspruch
(Streitgegenstand). Nach § 33 I ZPO kann eine Widerklage bei dem Gericht der
Klage (zusätzlicher Gerichtsstand) erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit
dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn
vorgebrachten Verteidigungsmitteln in (tatsächlichem) Zusammenhang steht. Für
Klage und Widerklage muss dieselbe Prozessart zulässig sein und die Widerklage
darf nicht ausgeschlossen sein.
gg) Klagerücknahme
Der Kläger kann die (bereits erhobene) Klage durch Erklärung gegenüber
dem Gericht zurücknehmen(, ohne dadurch den behaupteten Anspruch aufzugeben).
Bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung (zur Hauptsache) kann dies ohne
Mitwirkung des Beklagten geschehen, ab Beginn der mündlichen Verhandlung nur
mit Einwilligung des Beklagten (§ 269 I ZPO). Mit der (wirksamen) Rücknahme ist
der Prozess als nicht rechtshängig geworden anzusehen (§ 269 III 1 ZPO), so
dass auch ein bereits ergangenes, aber noch nicht rechtskräftig gewordenes
Urteil ohne ausdrückliche Aufhebung wirkungslos wird.
Der Kläger hat grundsätzlich die bis zur Klagerücknahme entstandenen
Kosten zu tragen (§ 269 III 2 ZPO).
hh) Erledigung der Hauptsache
Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung
eines Schriftsatzes zu Protokoll den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter
Berücksichtigung des bisherigen Sachstands und Streitstands nach billigem
Ermessen durch Beschluss (§ 91a ZPO). Das Gericht hat sich bei seiner
Kostenentscheidung an den mutmaßlichen Erfolgsaussichten der Klage auf Grund
des bisherigen Sachstands und Streitstands zu orientieren. Besteht Streit unter
den Parteien über die Erledigung, muss das Gericht entscheiden.
ii) Prozessvergleich
Prozessvergleich ist der von Prozessparteien zum Zweck der
Streitbeendigung (grundsätzlich) vor einem deutschen Gericht (über einen einem
Vergleich zugänglichen Prozessgegenstand) abgeschlossene Vergleich. Er muss
protokolliert, den Parteien vorgelesen und von ihnen genehmigt werden und das
Protokoll muss vom Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
unterschrieben werden (§§ 160 III Nr. 1, 163 I ZPO). Er kann auch dadurch zustande
kommen, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts
dem Gericht gegenüber schriftlich annehmen (§ 278 VI ZPO) und das Gericht das
Zustandekommen des Vergleichs und seinen Inhalt durch Beschluss feststellt.
Der Prozessvergleich beendet den Prozess. Er macht ein bereits
ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos. Er ist ein
Vollstreckungstitel (§ 794 I 1 ZPO).
Er ist stets auch materiellrechtlicher Vergleich im Sinn des § 779 BGB.
Er kann also aus materiellrechtlichen Gründen (z. B. Irrtum, Täuschung,
Drohung) unwirksam sein. Der Streit um die Wirksamkeit des Prozessvergleichs
ist im bisherigen Verfahren auszutragen, so dass der bisherige Prozess bei
Unwirksamkeit des Prozessvergleichs unter fortbestehender Rechtshängigkeit
fortzuführen ist.
4. Beweis
a) Wesen
Beweis ist die Verschaffung der Überzeugung der Richtigkeit einer
behaupteten, beweisbedürftigen Tatsache (d. h. eines sinnlich wahrnehmbar in
Erscheinung tretenden Geschehnisses oder Zustands z. B. Vorsatz, Absicht,
Kenntnis, Erklärung, Handlung) (und ausländischen Rechts, Gewohnheitsrechts und
von Statuten, § 293 ZPO). Der Beweis muss von einer Partei gegenüber dem
Gericht erbracht werden. Er muss zu einem jeden vernünftigen Zweifel
ausschließenden Grad von Wahrscheinlichkeit führen.
Beweis ist mehr als Glaubhaftmachung. Bei ihr genügt es, wenn das Gericht
von der guten Möglichkeit des Geschehens überzeugt wird. Diese überwiegende
Wahrscheinlichkeit ist ausreichend bei der Richterablehnung (§ 44 II ZPO), im
Prozesskostenhilfeverfahren (§ 118 II 1 ZPO), bei der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand (§ 236 II ZPO), bei verspätetem Vorbringen (§ 296 IV ZPO), bei
Arrest (§ 920 II ZPO) und bei einstweiliger Verfügung (§ 936 ZPO).
Beweisbedürftig sind nur entscheidungserhebliche Tatsachen. Nicht
beweisbedürftig sind nicht bestrittene Tatsachen (§ 138 III ZPO), ausdrücklich
zugestandene Tatsachen (§ 288 I ZPO) oder offenkundige Tatsachen (§ 291 ZPO).
Keines Beweises bedarf eine Tatsache, für deren Vorhandensein eine gesetzliche
Vermutung besteht (§ 292 ZPO z. B. §§ 1006, 1253 II BGB), doch ist der Beweis
des Gegenteils (Hauptbeweis) möglich.
b) Arten
Strengbeweis ist der im Verfahren der §§ 355ff. ZPO mit Hilfe der
Beweismittel Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden und
Parteivernehmung geführte Beweis, Freibeweis der mit allen Mitteln (z. B.
eidesstattliche Versicherung, amtliche Auskunft) außerhalb eines förmlichen
Verfahrens erbringbare Beweis. Hauptbeweis ist der von der beweisbelasteten
Partei zur Überzeugung des Gerichts zu erbringende Beweis, Gegenbeweis der zur
Erschütterung der Überzeugung des Gerichts zu erbringende Beweis der
Gegenseite. Unmittelbarer Beweis ist der Beweis einer zum Tatbestand des
anzuwendenden Rechtssatzes gehörenden Tatsache (z. B. Zeugenaussage über
Unfallhergang), mittelbarer Beweis (Indizienbeweis) der Beweis einer nicht zum
Tatbestand des Rechtssatzes gehörenden Tatsache, aus der das Gericht auf Grund
allgemeiner Erfahrung oder besonderer Sachkunde auf das Vorliegen einer zum Tatbestand
gehörigen Tatsache schließen kann.
Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis) ist der Schluss von einer
feststehenden Tatsache (z. B. Auffahren eines Kraftfahrzeugs) auf eine Ursache
oder eine Verhaltensbewertung (z. B. Fahrlässigkeit) an Hand allgemeiner
Lebenserfahrung.
Ausforschungsbeweis ist der auf Erlangung von Wissen (zwecks Aufstellung
von Tatsachenbehauptungen) durch Beweisaufnahme gerichtete unzulässige Beweis.
c) Grundsatz der freien
Beweiswürdigung
Das Gericht hat (unter Ausscheidung nicht verwertbarer Beweismittel und)
unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des
Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu
entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu
erachten ist (§ 286 I 1 ZPO) und ist an gesetzliche Beweisregeln nur in den
durch die Zivilprozessordnung bezeichneten Fällen (z. B. §§ 165, 314, 415ff.
ZPO) gebunden (§ 286 II ZPO). Es muss aber im Urteil die Gründe angeben, die
für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 286 I 2 ZPO).
Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist und wie
hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, so entscheidet
hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§
287 I 1 ZPO). Dies betrifft (nicht die haftungsbegründende Kausalität zwischen
Handlung und Rechtsgutsverletzung, sondern nur) die haftungsausfüllende
Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden. Bei ihr sind die
Anforderungen an die volle Überzeugung des Gerichts gemindert.
d) Behauptungslast und Beweislast
aa) Behauptungslast
Jede Partei muss dem Gericht die ihr Begehren schlüssig machenden
Tatsachen vortragen (Behauptungslast, Darlegungslast). Unterlässt eine Partei
(sogar nach einem Hinweis des Gerichts) die Behauptung einer zu ihren Gunsten
entscheidungserheblichen Tatsache, so muss zu ihren Ungunsten entschieden
werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die darlegungspflichtige Partei nach
richterlichem Hinweis zu ihrer vom Gegner bestrittenen Tatsachenbehauptung
nicht im Einzelnen äußert.
Die Verteilung der Darlegungslast entspricht grundsätzlich der Verteilung
der Beweislast, weshalb jede Partei die für ihr Begehren günstigen Tatsachen
darlegen muss.
bb) Beweislast
Jede Partei muss dem Gericht die ihrem Begehren günstigen Tatsachen bzw.
alle tatsächlichen Voraussetzungen einer ihr günstigen Rechtsnorm beweisen.
Gelingt ihr der Beweis, ist die Beweislast bedeutungslos. Misslingt ihr der
Beweis, muss sie (wegen der Beweislast) die Folgen der Beweislosigkeit tragen.
Im Einzelnen trägt der Kläger grundsätzlich die Beweislast für das
Vorliegen der Prozessvoraussetzungen. Außerdem trifft ihn die Beweislast für
die klagebegründenden Tatsachen (z. B. Abschluss des Vertrages, Hingabe des
Darlehens, Fehlen des Rechtsgrunds) und eine Gegeneinrede. Der Beklagte trägt
die Beweislast für die Einredetatsachen
(z. B. Anfechtung, Stundung, Verjährung).
In einzelnen Fällen regelt das Gesetz die Beweislast besonders (z. B. §
179 I BGB). In anderen Fällen hat die Rechtsprechung eine besondere (meist
umgekehrte) Verteilung der Beweislast bestimmt (z. B. muss, wenn ein
Gesundheitsschaden auf einem ärztlichen Eingriff beruht, der Arzt beweisen,
dass er den Patienten ausreichend aufgeklärt hat). Die Beweislastregeln werden
insgesamt dem materiellen Recht zugezählt, nicht dem Prozessrecht.
e) Verfahren
Die Erhebung des Beweises kann auf Antrag einer Partei oder (mit Ausnahme
des Beweises durch Zeugen) von Amts wegen erfolgen. In der Regel bietet eine
Partei (Beweisführer) einen Beweis für eine bestimmte Behauptung (Beweisthema)
an, was so früh wie möglich erfolgen soll. Die Anordnung der Beweisaufnahme
erfolgt (nach Feststellung der unstreitigen und der beweisbedürftigen Tatsachen
und der Beweislastverteilung) durch das Gericht, wobei ein besonderer,
förmlicher, Beweisthema, Beweismittel und Beweisführer benennender
Beweisbeschluss erlassen werden muss, wenn ein Beweis nicht sofort erhoben
werden kann (§ 358 ZPO).
Die Beweisaufnahme erfolgt vor dem Prozessgericht (§ 355 I 2 ZPO). Sie
ist nur in den durch die Zivilprozessordnung bestimmten Fällen einem Mitglied
des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht zu übertragen (§ 355 I 2 ZPO).
Meist findet sie vor dem selbst entscheidenden Einzelrichter statt (§ 348a
ZPO).
Die Parteien haben das Recht, der Beweisaufnahme beizuwohnen (§ 357 I
ZPO). Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben sie zu verhandeln (§ 279 III
ZPO). Die Beweisaufnahme selbst ist nicht Teil der mündlichen Verhandlung.
f) Mittel
Beweismittel sind Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden und
Parteivernehmung.
aa) Augenschein
Der Beweis durch Augenschein geschieht durch unmittelbare Wahrnehmung
(Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) beweiserheblicher Tatsachen durch
das Gericht (und mögliche Augenscheinsgehilfen). Der Beweisantritt erfolgt
durch Angabe des Beweisthemas und Bezeichnung des Augenscheinsgegenstands (§
371 I 1 ZPO). In Abstammungsprozessen sind dabei Untersuchungen zu dulden (§
372a ZPO).
bb) Zeuge
Der (sehr häufige, aber auch sehr unsichere) Zeugenbeweis wird durch die
Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die
Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten (§ 373 ZPO). Der Zeuge sagt
über außerhalb des Prozesses gemachte
Wahrnehmungen aus. Wer als Partei zu vernehmen ist (z. B. gesetzlicher
Vertreter der nicht prozessfähigen Partei), kann nicht als Zeuge vernommen
werden.
Der (der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfene,) geladene Zeuge muss
grundsätzlich vor Gericht erscheinen, (einzeln) vor Gericht wahr und
vollständig aussagen (ausgenommen bei Zeugnisverweigerungsrecht
[z. B. bei enger Beziehung zu einer Partei oder bei beruflichen
Schweigepflichten von Ärzten, Journalisten und Geistlichen, § 383 ZPO, vgl.
auch § 376 ZPO], sich gegebenenfalls auf seine Aussage vorbereiten und unter
Umständen seine Aussage (nachträglich) beeiden. Bei Pflichtverletzung muss er
die verursachten Kosten tragen, können Ordnungsgeld und Ordnungshaft
festgesetzt werden und kann unter Umständen die zwangsweise Vorführung angeordnet
werden (§ 380 II ZPO).
Der Zeuge ist zur Wahrheit zu ermahnen (§ 395 I ZPO) und über die
Strafbarkeit einer Falschaussage zu belehren. Er hat über das Beweisthema im
Zusammenhang zu berichten (§ 396 I ZPO). Über seine (auch auf Tonband
aufnehmbare) Aussage ist ein Protokoll aufzunehmen (§§ 159ff. ZPO).
cc) Sachverständiger
Der Sachverständige vermittelt dem Richter fehlendes Fachwissen und darauf
beruhende Schlussfolgerungen. Über seine Auswahl entscheidet grundsätzlich das
Gericht (§ 404 ZPO). Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge
zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der geforderten Art öffentlich
bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren
Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder
wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist (§ 407 I
ZPO).
Sein Gutachten unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das
Gericht muss das Gutachten auf seine logische und wissenschaftliche Begründung
überprüfen. Ganz überwiegend stimmen die Urteile mit den eingeholten Gutachten
überein.
dd) Urkunde
Urkunde ist die schriftlich verkörperte Gedankenerklärung (z. B.
Quittung, Brief, nicht z. B. elektronisches Dokument). Der Beweisführer tritt
den Beweis durch Vorlegung der Urkunde an (§ 420 ZPO). Befindet sich die
Urkunde im Besitz des Gegners, erfolgt der Beweisantritt durch Antrag auf
Aufgebung der Vorlegung der Urkunde (§ 421 ZPO, beachte auch § 428 ZPO).
(Echte) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der
Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen
Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen
Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine von
der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind (z. B.
notariell beurkundeter Kaufvertrag), vollen Beweis des durch die Behörde oder
die Urkundsperson beurkundeten Vorgangs (§ 415 I ZPO), doch ist der Beweis der
unrichtigen Beurkundung des Vorgangs zulässig (§ 415 II ZPO). (Echte)
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder
mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis
dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben
sind (§ 416 ZPO). (Echte) von einer Behörde ausgestellte, eine amtliche
Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltende öffentliche Urkunden (z. B.
Bescheide, Urteile) begründen vollen Beweis ihres Inhalts (§ 417 ZPO) und
(echte) öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 ZPO
bezeichneten Inhalt haben (z. B. Registerauszug, Zustellungsurkunde), begründen
vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (§ 418 I ZPO).
ee) Parteivernehmung
Die Parteinvernehmung ist die Vernehmung der (weder zum Erscheinen noch
zur Aussage oder Beeidigung verpflichteten) Partei als Beweismittel auf
Anordnung durch Beweisbeschluss (auf Antrag oder von Amts wegen) (§ 450 I 1
ZPO). Sie ist zu unterscheiden von der Anhörung der Partei nach Anordnung des
persönlichen Erscheinens (§ 141 ZPO). Die Parteivernehmung unterliegt der
freien Beweiswürdigung des Gerichts.
g) Selbständiges Beweisverfahren
Während oder außerhalb eines Streitverfahrens kann auf Antrag einer
Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die
Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner
zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verlorengeht oder seine
Benutzung erschwert wird (§ 485 I ZPO). Ist ein Rechtsstreit noch nicht
anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen
beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand
einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines
Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels oder der Aufwand für die
Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt
wird (§ 485 II 1 ZPO). Das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens steht
einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich (§ 493 I ZPO).
5. Urteil
a) Wesen
Urteil ist die grundsätzlich eine mündliche Verhandlung voraussetzende,
in einer bestimmten Form ergehende, vom Gericht selbst grundsätzlich nicht mehr
abänderbare Entscheidung eines Gerichts. Demgegenüber sind Beschlüsse (meist
prozessleitende) Entscheidungen eines Gerichts ohne mündliche Verhandlung und
ohne Bindung an eine bestimmte Form. Verfügungen sind (meist prozessleitende, )
nicht an eine Form gebundene, vom Vorsitzenden oder Einzelrichter erlassene,
meist nicht anfechtbare Entscheidungen.
b) Arten
Das Endurteil beendet den
Rechtsstreit ganz (oder zum Teil oder insgesamt) und entscheidet über den
Streitgegenstand (§ 300 I ZPO). Das Zwischenurteil
entscheidet nicht über den Streitgegenstand und beendet nicht die Instanz (z.
B. Zwischenurteil über die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand, Zurückverweisung im Rechtsmittelverfahren, Vorabentscheidung über den
Grund, § 304 ZPO, Grundurteil,
hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen). Das Zwischenurteil ist
meist zusammen mit dem Endurteil anfechtbar (anders § 387 III ZPO).
Prozessurteil ist das die Klage als unzulässig
abweisende Urteil. Sachurteil ist
das über die Begründetheit der Klage entscheidende Urteil. Hinsichtlich des Zustandekommens
und der Rechtsmittel besteht kein Unterschied zwischen Prozessurteilen und
Sachurteilen, wohl aber hinsichtlich der Rechtskraftwirkung.
Das Vollurteil entscheidet
über die Klage insgesamt. Das Teilurteil
(§ 301 I 1 ZPO) betrifft nur einen Teil des Streitgegenstands (Endurteil). Ein
Teilurteil ist nur zulässig, wenn keine Gefahr des Widerspruchs zwischen
Teilurteil und Schlussurteil besteht (§ §01 I 2 ZPO).
Das auf Leistungsklage ergehende Leistungsurteil
betrifft den Inhalt Leistung (z. B. Übereignung von Geld, Übereignung anderer
Sachen, Abtretung einer Forderung, Duldung, Unterlassung). Das Feststellungsurteil stellt ein
Rechtsverhältnis fest (z. B. auch alle klageeabweisenden Urteile) und kann nur
hinsichtlich der Kostenentscheidung vollstreckt werden. Das Gestaltungsurteil gestaltet mit
Eintritt der formellen Rechtskraft ein Rechtsverhältnis, stellt fest, dass das
Recht zur Gestaltung besteht und ist nur hinsichtlich der Kostenentscheidung
vollstreckbar.
Versäumnisurteil ist das auf Grund der Säumnis einer
Partei mögliche Urteil. Sein Gegensatz ist das kontradiktorische Urteil. Es
ergeht auf Grund einer streitigen Verhandlung beider Parteien.
Das bedingte Urteil hängt in seinem endgültigen Bestand von einer
anderen, noch zu erlassenden Entscheidung ab. Bei dem Vorbehaltsurteil
beseitigt das Endurteil den (auflösenden) Vorbehalt oder weist die Klage ab.
Unter einer auflösenden Bedingung stehen
auch die vor der Rechtskraft der Zwischenurteile nach den §§ 280 und 304 ZPO ergehenden
Urteile.
c) Entstehung
Das Urteil entsteht durch Fällung und Verkündung. Die Fällung ist ein rein
interner Vorgang, der nur einen jederzeit abänderbaren Urteilsentwurf bewirkt.
Erst mit dem durch Verkündung erfolgenden Erlass ist das Gericht an sein Urteil
gebunden (§ 318 ZPO).
Die Fällung des Urteils kann
nur durch die Richter erfolgen, die der ihm zugrunde liegenden Verhandlung
beigewohnt haben (§ 309 ZPO, unbeachtlich für schriftliche Verfahren und
Entscheidungen nach Lage der Akten). Die Verletzung dieser Bestimmung ist ein
absoluter Revisionsgrund und ein Wiederaufnahmegrund. Die Verkündung kann auch
durch andere Richter durchgeführt werden.
Die Fällung des Urteils geschieht bei einem einzelnen Richter durch
Willensbildung. Bei einem aus mehreren Richtern bestehenden Gericht sind
geheime Beratung und Abstimmung notwendig (§§ 192ff. GVG). Ein überstimmter
Richter muss das Urteil ebenfalls unterschreiben.
Die Verkündung des Urteils erfolgt
in dem die mündliche Verhandlung schließenden Termin oder in einem besonderen,
grundsätzlich binnen drei Wochen anzusetzenden Verkündungstermin. Sie besteht
in der öffentlichen (§ 173 GVG), zu protokollierenden (§ 160 III Nr. 6, 7)
Verlesung der (schriftlich vorliegenden) Urteilsformel (§ 311 II 1 ZPO), bei
der die Parteien (grundsätzlich) nicht anwesend sein müssen (§ 312 I ZPO). Die
Bekanntgabe der Entscheidungsgründe liegt im Ermessen des Gerichts (§ 311 III
ZPO).
Zur Ingangsetzung des Laufes der Rechtsmittelfristen muss zum Erlass des
Urteils seine Zustellung hinzukommen
(§§ 339, 517, 548 ZPO). Sie erfolgt von Amts wegen (§§ 317 I, 166 II ZPO) und
betrifft auch alle anderen einen Vollstreckungstitel bildenden oder der
sofortigen Beschwerde oder der befristeten Erinnerung unterliegenden Entscheidungen
(§§ 577 IV, 329 III ZPO). Sie kann auf Antrag beider Parteien bis zum Ablauf
von fünf Monaten nach der Verkündung verschoben werden (§ 317 I 3 ZPO).
d) Form
Die Form des Urteils ist durch Gesetz vorgeschrieben. Das Urteil ergeht
im Namen des Volkes (§ 311 I ZPO). Es enthält die Bezeichnung der Parteien,
ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten, die Bezeichnung
des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt
haben, den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist (§ 313
I Nr. 1-3, sog. Rubrum), die Urteilsformel (§ 313 I Nr. 4 Tenor),
(grundsätzlich, anders Versäumnisurteile, Anerkenntnisurteile und
Verzichtsurteile) den Tatbestand, in dem die erhobenen Ansprüche und die dazu
vorgebrachten Angriffsmittel und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der
gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden
sollen (§ 313 I Nr. 5, II, beachte § 313a ZPO) und (grundsätzlich) die
Entscheidungsgründe (auch für die Nebenentscheidungen über die Kosten und die
vorläufige Vollstreckbarkeit), die eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen
(einschließlich der Beweiswürdigung) enthalten, auf denen die Entscheidung in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 313 I Nr. 6, III ZPO). Das
Urteil ist von allen mitwirkenden Richtern zu unterschreiben (§ 315 I ZPO).
e) Mangel
Bei einem Nichturteil (z. B.
Entscheidung eines Nichtgerichts) liegt kein Urteil vor. Von Amts wegen oder
auf Antrag können ohne Weiteres Schreibfehler,
Rechenfehler und ähnliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (§ 319 ZPO), auf
Antrag einer Partei durch Beschluss Unrichtigkeiten des Tatbestands
richtiggestellt werden (§ 320 ZPO). Ein versehentlich unvollständiges Urteil
kann nach erneuter mündlicher Verhandlung durch nachträgliche Entscheidung
ergänzt werden (Ergänzungsurteil, §
321 ZPO).
Andere Mängel können nur mit Hilfe von Rechtsmitteln geltend gemacht werden. Dies gilt auch für
wirkungslose Urteile (z. B. Urteil für oder gegen eine nicht bestehende
Partei). Ihr Rechtsschein kann ohne Bindung an Fristen beseitigt werden.
f) Wirkung
aa) Materiellrechtliche Wirkung
Soweit ein Urteil Tatbestandsvoraussetzung einer materiellrechtlichen
Rechtsnorm ist, tritt die materiellrechtliche Folge mit dem Urteil ein.
bb) Vollstreckbarkeit
Leistungsurteile sind in der Hauptsache vollstreckbar, alle Urteile
bezüglich der Kostenentscheidung.
cc) Bindung des Gerichts
Das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen
Endurteilen und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden (§ 318 ZPO).
dd) Gestaltung
Das Gestaltungsurteil (z. B. Ehescheidungsurteil) gestaltet die
Rechtslage für und gegen jedermann.
ee) Rechtskraft
aaa) Formelle Rechtskraft
Mit der Verkündung des Urteils, gegen das kein Rechtsmittel vorgesehen
ist (z. B. letztinstanzliches Urteil) ist der Prozess beendet und tritt
formelle (äußere) Rechtskraft (Unanfechtbarkeit) ein (vgl. § 705 ZPO). Ein
Urteil wird auch formell rechtskräftig mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist,
Einspruchsfrist oder Rügefrist, wenn entweder ein Rechtsmittel oder der
Einspruch nicht eingelegt (§ 705 ZPO) oder aber nach Einlegung zurückgenommen
(§§ 516 III, 565 ZPO) worden ist oder wenn die Parteien dem Gericht gegenüber
auf Rechtsmittel oder Einspruch verzichtet haben (§§ 515, 565, 346 ZPO). Fünf
Monate nach der Verkündung werden alle Urteile (bei Nichteinlegung eines
Rechtsmittels) rechtskräftig (§§ 517, 548 ZPO).
bbb) Materielle Rechtskraft
Materielle Rechtskraft ist die Maßgeblichkeit des Inhalts des formell
rechtskräftigen Urteils (Prozessurteils, Sachurteils, Vollurteils, Endurteils,
Teilurteils, Versäumnisurteils, nicht des auflösend bedingten Urteils, nicht
des aufhebenden und zurückverweisenden Rechtsmittelgerichtsurteils, des
ausländischen Urteils erst nach Anerkennung). Die materielle Rechtskraft setzt
also die formelle Rechtskraft voraus. Sie bindet alle (anderen) Gerichte.
Nach § 322 I ZPO sind Urteile der materiellen Rechtskraft nur insoweit
fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen
Anspruch entschieden ist. Anspruch ist dabei der Streitgegenstand (im Zeitpunkt
der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), zu dessen Ermittlung über den
Urteilstenor hinaus auch Tatbestand und Entscheidungsgründe bedeutsam sein
können. Wegen der Beschränkung auf den Anspruch nehmen weder Entscheidungen
über ein präjudizielles Rechtsverhältnis (als bloße Voraussetzung der
Entscheidung) noch Entscheidungen über Tatsachen an der Rechtskraft teil.
Nach § 323 ZPO ist (unter Durchbrechung der Rechtskraftwirkung) dann,
wenn im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden, wiederkehrenden
Leistungen (z. B. Rente) eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse
eintritt, die für die Verurteilung zur Entrichtung der Leistungen, für die
Bestimmung der Höhe der Leistungen oder der Dauer ihrer Entrichtung maßgebend
waren, jeder Teil berechtigt, im Wege der Klage eine entsprechende Abänderung
des Urteils zu verlangen (§ 323 I ZPO). Umgekehrt wirkt (in Ausdehnung der
Rechtskraft) das rechtskräftige Urteil für und gegen die Parteien und die
Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger
(Einzelrechtsnachfolger oder Gesamtrechtsnachfolger) der Parteien geworden sind
oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben,
dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden
ist (§ 325 I ZPO), wobei Gutgläubige geschützt werden (§ 325 II ZPO). Beseitigt
werden kann die materielle Rechtskraft durch ein Wiederaufnahmeverfahren (§
578ff. ZPO) und gegebenenfalls über § 826 BGB (Anspruch auf Unterlassung der
Zwangsvollstreckung bzw. Schadensersatz).
6. Sonderabläufe
a) Versäumnisverfahren
aa) Wesen
Das Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei mögliche
Verfahren. Es entspricht dem Umstand, dass die Parteien des Zivilprozesses
grundsätzlich vor Gericht nicht erscheinen müssen. Rechtstatsächlich erscheint
der Beklagte seltener als der Kläger.
bb) Voraussetzungen
Es muss ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt sein, zu dem die
Parteien ordnungsgemäß geladen sein müssen (§ 335 I Nr. 2 ZPO). Eine Partei
(oder bei Postulationsunfähigkeit ihr Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter)
erscheint und verhandelt, die andere Partei (oder bei Postulationsunfähigkeit
ihr Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter) erscheint (nicht unverschuldet)
nicht oder verhandelt nicht. Die Prozessvoraussetzungen liegen vor (andernfalls
Prozessurteil trotz Säumnis, unechtes Versäumnisurteil, das kein
Versäumnisurteil ist).
Das Versäumnisurteil ist nicht gesetzlich generell ausgeschlossen (z. B.
Versäumnisurteil in Kindschaftssachen gegen den Beklagten). Dem Erlass eines
Versäumnisurteils steht kein gesetzliches Hindernis entgegen. Der Erlass eines
Versäumnisurteils wird von der erschienenen und verhandelnden Partei beantragt
(§§ 330, 331 III ZPO, möglich ist stattdessen auch ein Antrag auf eine
Entscheidung nach Lage der Akten § 331a ZPO).
aaa) Säumnis des Beklagten
Bei Säumnis des Beklagten ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des
Klägers als zugestanden anzunehmen (§ 331 I 1 ZPO, beachte § 331 I 2 ZPO für
Zuständigkeit). Rechtfertigt das als zugestanden anzusehende Vorbringen des
Klägers den Klagevortrag, ergeht (auf Grund Schlüssigkeit begründet) ein
Versäumnisurteil. Rechtfertigt das als zugestanden anzusehende Vorbringen des
Klägers den Klagevortrag nicht (Unschlüssigkeit), muss die Klage als
unbegründet abgewiesen werden (unechtes Versäumnisurteil, d. h. kein
Versäumnisurteil, sondern abweisendes Sachurteil).
Als Säumnis des Beklagten wird dabei auch der Fall behandelt, dass das
Gericht sich für ein schriftliches Vorverfahren entscheidet, den Beklagten mit
der Zustellung der Klage zur Anzeige seiner Verteidigungsbereitschaft
auffordert und der Beklagte die rechtzeitige Anzeige der
Verteidigungsbereitschaft unterlässt (§ 330 III ZPO).
bbb) Säumnis des Klägers
Liegen die Prozessvoraussetzungen nicht vor, wird die Klage als
unzulässig durch Prozessurteil abgewiesen. Das Urteil ergeht unabhängig von der
Säumnis und ist ein unechtes Versäumnisurteil (kein Versäumnisurteil). Ist die
Klage zulässig, ist ohne sachliche Prüfung auf Antrag (des Beklagten) das
Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen
ist (§ 330 ZPO).
c) Rechtsbehelf gegen das
Versäumnisurteil
Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das
Urteil der Einspruch zu (§ 338 ZPO) Er muss (grundsätzlich) binnen zwei Wochen
ab Zustellung des Versäumnisurteils (Notfrist) eingelegt werden (§ 339 I ZPO).
Der Einspruch wird durch Einreichung der Einspruchsschrift (mit Bezeichnung des
beeinspruchten Urteils und der Einspruchseinlegungserklärung sowie
Angriffsmitteln, Verteidigungsmitteln, Zulässigkeitsrügen bzw. Begründung) bei
dem Prozessgericht eingelegt (§ 340 ZPO).
Durch den zulässigen Einspruch wird der Prozess in die Lage zurückversetzt,
in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO), so dass alle
Prozesshandlungen der Parteien und alle Beweiserhebungen wieder wirksam werden,
doch muss die säumige Partei grundsätzlich die durch die Versäumnis
verursachten Kosten tragen (§ 344 ZPO). Kommt das Prozessgericht nach erneuter
mündlicher Verhandlung zur Überzeugung, dass das Versäumnisurteil im Ergebnis
richtig ist, erhält es das Versäumnisurteil durch Urteil aufrecht (§ 343 S. 1
ZPO). Kommt das Prozessgericht nach erneuter mündlicher Verhandlung zur
Überzeugung, dass das Versäumnisurteil im Ergebnis unrichtig ist, hebt es das
Versäumnisurteil durch neues Urteil auf (§ 343 S. 2 ZPO).
Erscheint die Einspruch einlegende Partei in dem Termin zur mündlichen
Verhandlung über den Einspruch nicht oder verhandelt nicht, wird der Einspruch
durch ein zweites Versäumnisurteil verworfen (§ 345 ZPO). Dagegen steht ihr
kein weiterer Einspruch zu (§ 345 ZPO). Sie kann aber eine Berufung darauf
stützen, dass ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen hat (§ 514 II ZPO).
Im Übrigen sind mehre Versäumnisurteile in einem einzigen Prozess mit
jeweils einem Einspruch möglich.
b) Verfahren ohne mündliche
Verhandlung
Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der
Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung treffen (§ 128 II 1 ZPO). Eine Entscheidung über die Kosten kann
ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 128 III ZPO). Entscheidungen des
Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen,
soweit nichts Anderes bestimmt ist (§ 128 IV ZPO).
§ 4 Rechtsmittel
I. Allgemeines
1. Wesen
Rechtsmittel ist der den Eintritt der formellen
Rechtskraft hemmende (Suspensiveffekt, aufschiebende Wirkung) und den
Rechtsstreit in die nächsthöhere Instanz bringende (Devolutiveffekt,
hinaufwälzende Wirkung) Rechtsbehelf des Prozessrechts. Rechtsmittel sind
Berufung, Revision und Rechtsbeschwerde (sowie sofortige Beschwerde). Nur
Rechtsbehelf sind Einspruch, Abänderungsklage, Wiederaufnahmeklage, Gehörsrüge,
Nichtzulassungsbeschwerde und Antrag auf Zulassung der Sprungrevision sowie
Verfassungsbeschwerde.
2. Zulässigkeit (allgemein)
a) Statthaftigkeit
Das Rechtsmittel muss gegen die angegriffene Entscheidung seiner Art nach
überhaupt vorgesehen sein. Die Berufung ist statthaft gegen die im ersten
Rechtszug erlassenen Endurteile des Amtsgerichts und des Landgerichts (§ 511 I
ZPO). Die Revision ist statthaft gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen
Endurteile (§ 542 I ZPO), die Sprungrevision gegen im ersten Rechtszug
erlassene Endurteile des Amtsgerichts und Landgerichts, die ohne Zulassung der
Berufung unterliegen (§ 566 ZPO).
b) Beschwer
Die angegriffene Entscheidung muss den Rechtsmittelführer benachteiligt
(beschwert) haben. Hat er durch das Urteil alles erreicht, was er begehrt hat,
besteht kein berechtigtes Bedürfnis zu einer Abänderung. Eine Beschwer liegt
grundsätzlich in der Abweichung des Urteils von dem zuletzt gestellten Antrag
des Rechtsmittelführers.
c) Bindung an Anträge
Das angegriffene Urteil darf nur insoweit abgeändert werden, als eine
Abänderung beantragt ist, so dass der Rechtsmittelkläger durch die Einlegung
des Rechtsmittels grundsätzlich keinen Nachteil erleiden kann (vgl. § 528 S. 2
ZPO). Zum Ausgleich hierfür kann der Gegner ein Anschlussrechtsmittel einlegen
(§§ 524 II 1, 554, 567 III 1, 574 IV ZPO). Dieses verliert seine Wirkung, wenn
das Hauptrechtsmittel verworfen oder zurückgenommen wird (§§ 524 IV, 554 IV,
567 III 2, 574 IV 3 ZPO).
d) Rücknahme
Das Rechtsmittel kann (bis zur Verkündung des Urteils im
Rechtsmittelverfahren) zurückgenommen werden (z. B. § 516 ZPO). Mit der
Rücknahme wird es wirkungslos. Die Kosten trägt der Rechtsmittelführer.
e) Verzicht
Auf das Rechtsmittel kann (bis zur Verkündung des Urteils im
Rechtsmittelverfahren) verzichtet werden (z. B. § 515 ZPO). Der Verzicht kann
gegenüber dem Gericht oder gegenüber dem Prozessgegner erklärt werden.
Verzichten beide Parteien auf Rechtsmittel, wird das Urteil rechtskräftig.
f) Rechtsmittelurteil
Das Rechtsmittelgericht hat die Prozessvoraussetzungen von Amts wegen zu
prüfen. Ist das Rechtsmittel unzulässig, ist es durch Prozessurteil als
unzulässig zu verwerfen. Ist es unbegründet (z. B. wegen Zulässigkeit und
Begründetheit der Klage), wird es demgegenüber zurückgewiesen.
Begründet ist das Rechtsmittel, wenn das angefochtene Urteil unrichtig
ist.
3. Einzelne Rechtsmittel
a) Berufung
aa) Wesen
Berufung ist das gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile
(einige Zwischenurteile und ausnahmsweise Versäumnisurteile) statthafte
Rechtsmittel (§ 511 I ZPO).
bb) Zulässigkeit
Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands
(bzw. der Beschwer, nicht des Streitgegenstands) sechshundert Euro übersteigt
(Wertberufung) oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung im Urteil
zugelassen hat (Zulassungsberufung, Nichtzulassung nicht anfechtbar) (§ 511 II
ZPO), weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert (§ 511 IV ZPO).
Funktionell zuständig ist bei Urteilen des Amtsgerichts das Landgericht,
bei Urteilen in Familiensachen und Kindschaftssachen, bei Wohnsitz einer Partei
im Ausland oder bei Stützung des Urteils auf ausländisches Recht und bei allen
erstinstanzlichen Entscheidungen des Landgerichts das Oberlandesgericht.
Die Berufung muss binnen einer Frist (Notfrist) von einem Monat (§ 517
ZPO) ab Zustellung des vollständigen Urteils, spätestens ab fünf Monaten nach
Urteilsverkündung vom Berufungskläger bei dem Berufungsgericht (schriftlich)
eingelegt (§ 519 I ZPO) und binnen einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung
bzw. fünf Monaten nach Verkündung (meist in einem eigenen Schriftsatz) begründet
werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des angefochtenen Urteils, des
Berufungsklägers und des Berufungsbeklagten und die Erklärung enthalten, dass
Berufung eingelegt wird (§ 519 II ZPO). Die Berufungsbegründung(sschrift) muss
enthalten die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche
Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge), die Bezeichnung
der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für
die angefochtene Entscheidung ergibt, die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte,
die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen
im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung
gebieten und die Bezeichnung der neuen Angriffsmittel und Verteidigungsmittel
sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffsmittel und
Verteidigungsmittel zuzulassen sind (§ 520 III ZPO, beachte auch § 520 IV, V
ZPO).
Fehlt eine Zulässigkeitsvoraussetzung (Statthaftigkeit, Einlegung und
Begründung in der gesetzlichen Form und Frist), ist die Berufung als unzulässig
zu verwerfen (§ 522 I S. 2 ZPO). Dafür kann ein Beschluss genügen (§ 522 I 3
ZPO). Gegen den Beschluss ist Rechtsbeschwerde statthaft (§ 522 I 4 ZPO), wobei
nach mündlicher Verhandlung die Verwerfung durch Urteil erfolgt, gegen das
(unter Zulassung) Revision eingelegt werden kann.
cc) Begründetheit
Das Berufungsgericht weist die Berufung durch einstimmigen,
unanfechtbaren Beschluss unverzüglich zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass
die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 II Nr. 1). Es kann die
Berufungssache durch Beschluss dem Einzelrichter (entscheidendem Richter) zur
Entscheidung übertragen (§ 526 I ZPO).
Die Prüfung der Zulässigkeit der Klage ist eingeschränkt, neue Tatsachen und
Beweise sollen nur eingeschränkt berücksichtigt werden (§ 531 ZPO).
Gelangt das Berufungsgericht bzw. der entscheidende Richter zu dem
Ergebnis, dass das angefochtene Urteil (zumindest im Ergebnis) richtig ist,
wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Wird das angefochtene Urteil
als (ganz oder teilweise) unrichtig erkannt, wird es (ganz oder teilweise)
aufgehoben. Außerdem wird entweder ein neues Sachurteil erlassen (§ 538 I ZPO)
oder der Rechtsstreit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 538 II ZPO
(grundsätzlich auf Antrag einer Partei) zur Entscheidung an das Erstgericht
zurückverwiesen.
Das Berufungsurteil enthält weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe.
Stattdessen umfasst es nur die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen
im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen
und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der
angefochtenen Entscheidung (§ 540 I ZPO). Bei Verkündung im die mündliche
Verhandlung abschließenden Termin können diese Darlegungen auch in das
Protokoll aufgenommen werden (§ 540 II ZPO).
b) Revision
aa) Wesen
Revision ist das gegen die in der Berufungsinstanz erlassenen Endurteile
statthafte Rechtsmittel (§ 542 I ZPO) zum Bundesgerichtshof (§ 133 GVG).
bb) Zulässigkeit
Die Revision ist statthaft gegen ein Endurteil eines Berufungsgerichts.
Zwischenurteile sind nur in wenigen besonderen Fällen revisibel (z. B. § 304 II
ZPO). Urteile in Arrtestverfahren und in einstweiligen Verfügungsverfahren sind
nicht revisibel (§ 542 II ZPO).
Die Revision findet nur statt, wenn sie das Berufungsgericht in dem
Urteil oder das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat (§ 543 I ZPO, Zulassungsrevision). Die Revision ist zuzulassen,
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II ZPO). An die Zulassung der Revision
durch das Berufungsgericht ist das Revisionsgericht gebunden (§ 543 III ZPO),
während die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht der
Beschwerde an das Revisionsgericht unterliegt (Nichtzulassungsbeschwerde § 544
ZPO).
Die Frist für die Einlegung der Revision (Revisionsfrist) beträgt einen
Monat (Notfrist) und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten
nach der Verkündung (§ 548 ZPO). Der Revisionskläger muss die Revision
begründen (§ 551 I ZPO). Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei
Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten
Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 551
II ZPO).
Die Revision wird durch Einreichung der Revisionsschrift bei dem
Revisionsgericht eingelegt (§ 549 I 1 ZPO). Die Revisionsschrift muss die
Bezeichnung des von der Revision betroffenen Urteils und die Erklärung, dass
gegen dieses Urteil Revision eingelegt wird, enthalten (§ 549 I 2 ZPO). Die
Revisionsbegründung muss den in § 551 III vorgeschriebenen Inhalt
(Revisionsanträge, Revisionsgründe) aufweisen.
Nach § 554 ZPO ist die Anschlussrevision (durch Einreichung einer
Revisionsanschlussfrist) zulässig. Sie erfordert eine Beschwer. Sie bedarf
nicht der Zulassung oder der Annahme.
Die Prüfung der Zulässigkeit der Revision erfolgt von Amts wegen (§ 552 I
1 ZPO). Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
ergehen (§ 552 II ZPO). Fehlt eine Voraussetzung der Zulässigkeit, wird die
Revision als unzulässig verworfen (§ 552 I 2 ZPO).
cc) Begründetheit
Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt grundsätzlich nur das
aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtliche
Parteivorbringen (§ 559 I 1). Neue Tatsachen können grundsätzlich nicht
vorgebracht werden (beachte § 559 I 2 ZPO). An die tatsächlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden.
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren
Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt
(§ 545 I ZPO, beachte § 545 II ZPO für fehlerhafte Zuständigkeitsentscheidungen
des Erstgerichts). Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder
nicht richtig angewendet worden ist (§ 546 ZPO). Eine Entscheidung ist stets
als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen (absoluter
Revisionsgrund), wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, wenn bei der Entscheidung
ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war, wenn eine
Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern
sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat,
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind oder
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit
Gründen versehen ist (§ 547 ZPO).
Die Revision ist begründet, wenn eine Rechtsverletzung vorliegt und die
Rechtsverletzung für das Urteil ursächlich war. Ergibt die Begründung des
Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung
selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsverletzung für
das Urteil nicht ursächlich. Die Revision ist dann unbegründet und
zurückzuweisen.
Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene
Urteil aufzuheben (§ 562 I ZPO, beachte § 562 II ZPO für das mangelhafte
Verfahren). Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache (vor allem bei
Notwendigkeit neuer Tatsachenfeststellungen) (unter Bindung an die
Rechtsauffassung des Revisionsgerichts) zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht (möglicherweise an einen anderen Spruchkörper des
Berufungsgerichts) zurückzuverweisen (§ 563 I ZPO). Das Revisionsgericht hat
jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur
wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis
erfolgt und nach letzterem die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 563 III ZPO).
dd) Sprungrevision
Gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung
der Berufung unterliegen (, also eine Beschwer von mehr als 600 Euro bewirken),
findet auf Antrag unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die
Revision statt, wenn der Gegner in die Übergehung der Berufungsinstanz
einwilligt und das Revisionsgericht die Sprungrevision zulässt (§ 566 I ZPO).
Antrag und Einwilligung gelten als Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung
(§ 566 II ZPO), so dass mit der Ablehnung des Zulassungantrags das Urteil
rechtskräftig wird ( (§ 566 VI ZPO). Zuzulassen ist die Sprungrevision nur,
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert (§ 566 IV ZPO).
ee) Verfahren zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Will ein Senat in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen
Senats abweichen, muss er anfragen, ob der andere Senat an seiner
Rechtsauffassung festhalten will (§ 132 III 1 GVG). Ist dies der Fall, muss der
Senat die Frage dem großen Senat für Zivilsachen (bei Zivilsenaten und
Strafsenaten den vereinigten großen Senaten) vorlegen. Die Entscheidung des
großen Senats ist in der betreffenden Sache für den erkennenden Senat bindend
(§ 138 I 3 GVG).
c) Beschwerde
aa) Wesen
Beschwerde ist das gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Amtsgerichts
und Landgerichts in gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich bestimmte bzw. nach
§ 567 I Nr. 2 ZPO allgemein gegen eine ein das Verfahren betreffendes Gesuch
zurückweisende, eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung
statthafte Rechtsmittel (§ 567 I ZPO). Die Beschwerde ist stets befristet.
Deswegen ist sie sofortige Bechwerde.
bb) Zulässigkeit
Die (sofortige) Beschwerde ist in den in § 567 ZPO genannten Fällen
statthaft. Sie ist grundsätzlich binnen einer Frist (Notfrist) von zwei Wochen
einzulegen (§ 569 I 1 ZPO), wobei die Frist mit der Zustellung der
Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des
Beschlusses (§ 569 I 2 BGB) beginnt. Die Einlegung geschieht durch Einreichung
einer Beschwerdeschrift (mit Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und
Erklärung der Einlegung der Beschwerde gegen die Entscheidung) entweder bei dem
entscheidenden Gericht oder dem Beschwerdegericht (§ 569 I 1 ZPO, nächsthöherem
Gericht), in bestimmten Fällen auch zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 569 III
ZPO).
cc) Begründetheit
Ist die (sofortige) Beschwerde begründet, muss ihr (trotz eventueller
Unzulässigkeit) das Gericht abhelfen (§ 572 I 1 ZPO) und damit seine eigene
Entscheidung abändern. Andernfalls ist die (sofortige) Beschwerde dem Beschwerdegericht
vorzulegen. Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig, muss
es sie verwerfen (§ 572 II 2 ZPO), erachtet das Beschwerdegericht die
Beschwerde als unbegründet, muss es sie zurückweisen, erachtet das
Beschwerdegericht die Beschwerde als begründet, muss die angefochtene
Entscheidung aufgehoben werden und das Beschwerdegericht entweder selbst
entscheiden oder durch Zurückverweisung dem unteren Gericht die Entscheidung
übertragen (§ 575 ZPO).
dd) Rechtsbeschwerde
Gegen einen Beschluss (Beschwerdeentscheidung) ist die Rechtsbeschwerde zum
Bundesgerichtshof statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht (§ 522 I ZPO) oder das
Oberlandesgericht im ersten Rechtszug (§ 1062 ZPO) sie in dem Beschluss
zugelassen hat (§ 574 I ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist
(Notfrist) von einem Monat nach Zustellung des angegriffenen Beschlusses durch
Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht (mit vorgeschriebenem Inhalt)
zu erheben und zu begründen (§ 575 ZPO). Ist sie unstatthaft oder nicht
formgerecht und fristgerecht eingelegt oder nicht formgerecht und fristgerecht begründet,
ist sie (durch Beschluss) als unzulässig zu verwerfen (§ 577 I ZPO), ist die
Entscheidung trotz Rechtsverletzung aus anderen Gründen richtig, ist die
Rechtsbeschwerde zurückzuweisen (§ 577 III ZPO), ist die Rechtsbeschwerde
begründet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache entweder
zur erneuten Entscheidung an das entscheidende Gericht zurückzuverweisen (§ 577
IV 1 ZPO) oder durch das Rechtsbeschwerdegericht selbst zu entscheiden (§ 577 V
1 ZPO).
d) Wiederaufnahme des Verfahrens
aa) Wesen
Wiederaufnahme des Verfahrens ist das außerordentliche Rechtsmittel
(Rechtsbehelf ohne Suspensiveffekt und Devolutiveffekt) der Überprüfung eines
durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens (§ 578 I ZPO) durch
Wiederaufnahmeklage (Nichtigkeitsklage oder Restitutionsklage) vor dem im
ersten Rechtszug erkennenden Gericht (§ 584 I ZPO).
bb) Zulässigkeit
Voraussetzung für die Wiederaufnahmeklage ist ein rechtskräftiges
Endurteil der letzten Instanz (§ 578 I ZPO, eventuell auch ein Beschluss).
Zuständig ist grundsätzlich das Gericht, gegen dessen Urteil sich die
Wiederaufnahmeklage richtet. Die Klage ist nur zulässig innerhalb eines Monats
(Notfrist) nach Kenntnis des Anfechtungsgrunds (§ 586 I, II ZPO) bzw. innerhalb
fünfer Jahre nach Rechtskraft des Urteils (§ § 586 II 2 ZPO).
Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen muss der Kläger einen Wiederaufnahmegrund
schlüssig behauptet haben. Wiederaufnahmegrund für die Nichtigkeitsklage ist
ein gesetzlich enumerativ aufgeführter schwerer Verfahrensmangel (§§ 579 ZPO z.
B. nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts). Wiederaufnahmegrund
für die subsidiäre Restitutionsklage ist ein gesetzlich enumerativ aufgeführter
schwerer und offensichtlicher Mangel der Urteilsgrundlagen (§ 580 ZPO z. B.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet
ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht
schuldig gemacht hat).
Die unzulässige Wiederaufnahmeklage ist durch Urteil als unzulässig zu
verwerfen.
cc) Begründetheit
Das Wiederaufnahmegericht muss überprüfen, ob der schlüssig behauptete
Wiederaufnahmegrund besteht. Ist dies der Fall, muss das angegriffene Urteil
rückwirkend aufgehoben werden. Ist dies nicht der Fall, muss die
Wiederaufnahmeklage als unbegründet abgewiesen werden.
dd) Wiederaufgenommenes Verfahren
Ist infolge Begründetheit der Wiederaufnahmeklage das angegriffene Urteil
aufgehoben, wird die Hauptsache neu verhandelt und entschieden (§ 590 I ZPO).
Das angegriffene Urteil kann im Ergebnis richtig oder unrichtig sein.
Rechtsmittel sind insoweit zulässig, als sie gegen die Entscheidungen der mit
den Klagen befassten Gerichte überhaupt stattfinden (§ 591 ZPO).
§ 4 Besondere
Verfahrensarten
I. Verfahren vor dem Amtsgericht
Nach § 495 ZPO gelten für das Verfahren vor den Amtsgerichten die
Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten, soweit nicht aus den
allgemeinen Vorschriften des ersten Buches, aus den § 495 ZPO nachfolgenden
besonderen Bestimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich
Abweichungen ergeben.
Vor dem Amtsgericht besteht (außer in Ehesachen und bestimmten
Familiensachen) kein Anwaltszwang (§ 78 I 1 ZPO). Das Amtsgericht kann sein
Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert 600 Euro nicht
übersteigt, doch muss auf Antrag mündlich verhandelt werden (§ 495a ZPO).
Klage, Klageerwiderung sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die
zugestellt werden sollen, sind (bei dem Gericht schriftlich einzubringen oder)
mündlich zum Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (§ 496 ZPO, beachte auch
die §§ 497-510b, 313a I ZPO).
II. Urkundenprozess und
Wechselprozess
Ein Anspruch, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die
Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere
zum Gegenstand hat (u. A. Anspruch aus einer Hypothek § 592 S. 2 ZPO oder aus einem
Wechsel § 602 ZPO, beachte §§ 603ff. ZPO), kann im Urkundenprozess geltend
gemacht werden, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen
Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können (§ 591 S. 1 ZPO). In diesem
Verfahren sind auch für Einwendungen und Einreden des Beklagten nur Urkunden
(und Parteivernehmung) als Beweismittel zulässig (§ 595 II ZPO). Aus diesem
Grund kann in vielen Urkundenprozessen nur ein vorläufiges (auflösend
bedingtes) Urteil (Vorbehaltsurteil § 599 I ZPO) ergehen und findet dann ein
Nachverfahren statt, in dem alle Beweismittel zulässig sind.
III. Mahnverfahren
Wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro
zum Gegenstand hat, ist auf Antrag des Antragstellers ein Mahnbescheid zu
erlassen (§ 688 I ZPO, ausgenommen die Fälle des § 688 II, III ZPO), so dass
der Gläubiger ohne Klage und Urteil einen Vollstreckungstitel erhält. Das
Mahnverfahren beginnt mit dem Antrag
an das Amtsgericht, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand
hat (§ 689 II 1 ZPO, ausschließlicher Gerichtsstand), doch sind
Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung Mahnverfahren einem
Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte zuzuweisen, wenn dies ihrer
schnelleren und rationelleren Erledigung dient, und ist eine maschinelle
Bearbeitung zulässig (§ 689 III1, I 1 ZPO). Der Mahnantrag muss auf den Erlass
eines Mahnbescheids gerichtet sein und einen bestimmten Mindestinhalt haben (§
690 ZPO u. A. die Erklärung, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung
abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist).
Das Amtsgericht erlässt (durch den Rechtspfleger) bei Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen den Mahnbescheid.
Dabei wird nicht geprüft, ob der geltend gemachte Anspruch für den Antragsteller
besteht. Der Mahnbescheid fordert den Antragsgegner zur Zahlung binnen zweier
Wochen oder zur Einlegung von Widerspruch binnen zweier Wochen auf (§ 692 I Nr.
3 ZPO).
Legt der Antragsgegner keinen
Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, wird auf Antrag ein Vollstreckungsbescheid erlassen (§ 699
I 1 ZPO). Er ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 I Nr. 4 ZPO). Wird gegen ihn kein Einspruch eingelegt, erwächst er
in formelle Rechtskraft und materielle Rechtskraft.
Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein, ergeht kein Vollstreckungsbescheid, sondern wird
auf Antrag einer Partei (grundsätzlich vor dem im Mahnbescheid für ein
streitiges Verfahren als zuständig bezeichneten Gericht) das streitige Verfahren durchgeführt (§ 696 I 1 ZPO). Das zuständige
Gericht fordert den Antragsteller auf, seinen Anspruch binnen zweier Wochen in
einer der Klageschrift entsprechenden Form zu begründen (§ 697 I ZPO). Nach
Eingang der Anspruchsbegründung ist wie in einem sonstigen Prozess nach Eingang
der Klageschrift zu verfahren.
Legt der Antragsgegner gegen den Mahnbescheid keinen Widerspruch ein, beantragt aber der Antragsteller auch nicht
den Erlass des Vollstreckungsbescheids binnen sechs Monaten nach Zustellung des
Mahnbescheids, so entfällt die Wirkung des Mahnbescheids (§ 701 ZPO).
Legt der Antragsgegner nach Erlass
des Vollstreckungsbescheids Einspruch ein, wird das streitige Verfahren
ohne besonderen Antrag durchgeführt. Die Sache gilt als mit Zustellung des
Mahnbescheids rechtshängig (§ 700 II ZPO). Bei Eingang der Anspruchsbegründung
ist wie nach einer Klage weiter zu verfahren, wenn der Einspruch nicht als
unzulässig verworfen wird (§ 700 IV ZPO).
IV. Verfahren in Familiensachen
1. Familiensachen
Familiensachen sind die Ehesachen (§ 606 I ZPO Ehescheidungsklage,
Eheaufhebungsklage, Ehefeststellungsklage und Klage auf Herstellung des
ehelichen Lebens), die anderen Familiensachen und die
Lebenspartnerschaftssachen (§ 23b I 2 GVG). Über alle in § 23b I 2 GVG
aufgezählten Familiensachen entscheidet das Familiengericht als die Abteilung
des Amtsgerichts für Familiensachen (funktionelle Zuständigkeit). Die sachliche
Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich aus den §§ 23a GVG, 64 I FGG, 11
HausratVO, aus dem Sachzusammenhang (z. B. Bereicherungsanspruch aus rechtsgrundloser
Unterhaltszahlung) oder aus dem Prozesszusammenhang (z. B. Verfahren auf
einstweiligen Rechtsschutz).
2. Verfahren
a) In Ehesachen ist der Verhandlungsgrundsatz zu Gunsten des
Untersuchungsgrundsatzes zurückgedrängt, die Dispositionsmaxime zu Gunsten der
Offizialmaxime. Dementsprechend sind Anerkenntnisurteil und Versäumnisurteil
gegen den Beklagten unzulässig und ist ein bindendes Geständnis nicht möglich
(§ 617 ZPO). Das Gericht ist berechtigt und verpflichtet, auch von den Parteien
nicht vorgebrachte Tatsachen zu berücksichtigen (§ 616 ZPO).
Das Verfahren wird durch Klage bei dem örtlich zuständigen Gericht
eröffnet, in Ehescheidungssachen durch die Antragsschrift. Parteien können
grundsätzlich nur die Ehegatten sein. Sie müssen sich durch einen Rechtsanwalt
vertreten lassen (§ 78 II 1 ZPO).
Das Verfahren ist nicht öffentlich (§ 170 GVG). Das Gericht soll das
persönliche Erscheinen der Parteien anordnen und sie anhören (§ 170 GVG). Der
Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft des Urteils wird als Erledigung der
Hauptsache angesehen (§ 619 ZPO).
b) Andere Familiensachen
Für andere Familiensachen gilt teilweise das Gesetz über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, teilweise die
Zivilprozessordnung (§ 621 I ZPO). Dabei besteht Rechtsanwaltszwang bei
Folgesachen einer Ehescheidungssache und in Güterrechtsstreitigkeiten (§ 78 II
ZPO). In bestimmten Fällen ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers möglich
(§ 50 FGG).
c) Entscheidungsverbund von Ehescheidung und Folgesachen
Gemeinsam mit der Ehescheidungssache sind Familiensachen des § 621 I Nr.
5-9, II 1 Nr. 4 zu verhandeln und zu entscheiden, sofern eine solche
Entscheidung vom Ehegatten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung begehrt
und dem Ehescheidungsantrag stattgegeben wird. Der Antrag auf Wertausgleich von
Rentenanwartschaften ist ohne einen Antrag Folgesache (§ 623 I 2 ZPO). Anträge
betreffend die elterliche Sorge, den Umgang eines Ehegatten mit einem
gemeinschaftlichen Kind und Herausgabe eines Kindes werden gemeinsam verhandelt
und entschieden, wenn die Ehescheidungssache bereits anhängig ist und bestimmte
Anträge rechtzeitig gestellt werden (§ 623 II 1 ZPO).
Die Folgesache hängt grundsätzlich von der Hauptsache ab. Wird dem
Ehescheidungsantrag stattgegeben, ergeht eine einheitliche Entscheidung durch
Urteil über Ehescheidung und Folgesachen (§ 629 I ZPO). Die Entscheidungen in
Folgesachen werden vor Rechtskraft des Ehescheidungsurteils nicht wirksam (§
629d ZPO).
d) Rechtsmittel im Familienverfahren
Gegen Urteile des Familiengerichts ist die Berufung zum Oberlandesgericht
statthaft (§§ 511ff. ZPO). Gegen Berufungsurteile ist die Revision zum
Bundesgerichtshof statthaft (§§ 542ff. ZPO). Bei Verfahren nach dem Gesetz über
die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist das Oberlandesgericht
über sofortige Beschwerden Beschwerdegericht (§ 119 I Nr. 1e GVG) und der
Bundesgerichtshof Rechtsbeschwerdegericht (§ 133 GVG).
V. Verfahren in Kindschaftssachen
Kindschaftssachen sind Verfahren, welche die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Eltern-Kindesverhältnisses (u. A. Feststellung der
Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft), die
Anfechtung der Vaterschaft oder die Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens der elterlichen Sorge einer Partei für eine andere zum
Gegenstand haben (§ 640 II ZPO). Für Verfahren über den Unterhalt eines
minderjährigen Kindes gegen einen Eltern oder beide Eltern aus gesetzlicher
Unterhaltspflicht gelten die §§ 642ff. ZPO. Die dabei in einem vereinfachten Verfahren
vor dem Rechtspfleger ergehenden Unterhaltsfestsetzungen können auch nach
Rechtskraft mit einer Abänderungsklage angegriffen werden (§ 654 ZPO).
VI. Schiedsverfahren
1. Wesen
Schiedsverfahren ist das auf einem Schiedsvertrag beruhende Verfahren der
Entscheidung eines Rechtsstreits durch ein nichtstaatliches (privates)
Schiedsgericht (§§ 1029ff. ZPO). Es setzt einen Schiedsvertrag (Schiedsklausel
in einem umfassenden Vertrag reicht aus) über vermögensrechtliche oder einem
Vergleich zugängliche nichtvermögensrechtliche Ansprüche aus einem bestimmten
Rechtsverhältnis voraus (§§ 1029, 1030 ZPO), der zugleich die Unzulässigkeit
einer Klage vor dem staatlichen Gericht zur Folge hat. Der oder die
Schiedsrichter (im Zweifel drei) werden von den Parteien oder hilfsweise auf
Antrag einer Partei durch ein Gericht bestimmt.
2. Ablauf
Über das Verfahren können die Parteien im Rahmen zwingender gesetzlicher
Bestimmungen (z. B. rechtliches Gehör, Gleichbehandlung) Vereinbarungen
treffen. Hilfsweise gelten die §§ 1034f. ZPO. Bei Lücken darf das
Schiedsgericht nach freiem Ermessen verfahren.
Zeugen und Sachverständige können nur auf freiwilliger Grundlage
vernommen werden. Erscheinen sie nicht, kann das Schiedsgericht oder eine
Partei mit Zustimmung des Schiedsgerichts Unterstützung des staatlichen
Gerichts bei der Beweisaufnahme beantragen. Das staatliche Gericht geht dann
bei der Beweisaufnahme nach der Zivilprozessordnung vor.
Das Schiedsverfahren endet grundsätzlich mit einem Schiedsspruch (§ 1056
I ZPO). Der oder die Schiedsrichter können das Schiedsverfahren als unzulässig
abweisen oder in der Sache entscheiden. Der Schiedsspruch hat unter den
Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils eines staatlichen Gerichts
(§ 1055 ZPO).
Gegen den Schiedsspruch haben die Parteien keine Rechtsmittel. Sie können
aber aus bestimmten Gründen durch Klage die gerichtliche Aufhebung des
Schiedsspruchs durch Urteil des staatlichen Gerichts betreiben (§ 1059 ZPO).
Eine Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch setzt die Vollstreckbarerklärung
durch das staatliche Gericht (Oberlandesgericht) voraus (§§ 1060, 1062ff. ZPO).
VII. Kostenverfahren
1. Kosten
Das gerichtliche Verfahren ist kostenpflichtig. Die Gerichtskosten
(Gebühren und Auslagen) trägt grundsätzlich der Antragsteller (Kläger,
Rechtsmittelkläger, § 49 GKG). Obsiegt er und werden dem Gegner die Kosten
auferlegt, ist der Gegner grundsätzlich Schuldner der Gerichtskosten (§§ 58 II,
54 GKG).
Die Gebühren sind pauschaliert. Sie bestimmen sich nach
Verfahrensabschnitten und dem Streitwert. Anzahl und Höhe der Gebühren sowie
Auslagen (z. B. für Zeugen, Sachverständige, Zustellung) ergeben sich aus den
Anlagen zum Gerichtskostengesetz.
Zwischen der Partei und ihrem Rechtsanwalt besteht ein Dienstvertrag mit
regelmäßig Geschäftsbesorgungscharakter (§ 675 BGB). Die Tätigkeit des
Rechtsanwalts ist nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu entgelten. Die Höhe
der Vergütung bestimmt sich grundsätzlich pauschaliert nach
Verfahrensabschnitten und dem Streitwert.
Zusätzlich können die Partei eigene Kosten treffen (z. B. Reisekosten,
Vollstreckungskosten).
2. Kostenentscheidung
Über die Tragung der Kosten entscheidet das Gericht von Amts wegen (§§
91ff. ZPO). Grundsätzlich hat der (teilweise) Unterliegende die zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten
(z. B. Kosten eines Rechtsanwalts) (teilweise § 92 I ZPO) zu tragen (§ 91 I
ZPO). Die grundsätzlich einheitliche(, im Urteil ergehende) Kostenentscheidung
kann nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden (§ 99 I ZPO).
Mit der Kostenentscheidung des Gerichts entsteht der
Kostenerstattungsanspruch der siegenden Partei gegen den unterliegenden Gegner
dem Grund nach. Seine Höhe wird durch den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Rechtspflegers festgelegt (§ 104 ZPO). Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist ein
Vollstreckungstitel, gegen den die sofortige Beschwerde statthaft ist (§ 104
III ZPO).
VIII. Prozesskostenhilfe
1. Wesen
Prozesskostenhilfe ist die vor Beendigung des Verfahrens zu bewilligende
geldliche staatliche Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 114 ZPO). Über die
Gewährung einer Prozesskostenhilfe wird in einem besonderen Verfahren
entschieden. In ihm darf das Gericht nicht über noch offene Rechtsfragen
entscheiden.
2. Bewilligung
Voraussetzung für eine Bewilligung ist ein Antrag bei dem Prozessgericht,
der vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden kann (§ 117 I 1 ZPO,
für die Zwangsvollstreckung § 117 I 3 ZPO). In dem Antrag ist das
Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§ 117 I 2 ZPO).
Dem (gegebenenfalls an einen Vordruck gebundenen) Antrag sind eine Erklärung
der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
(Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie
entsprechende Belege beizufügen (§ 117 II 1 ZPO).
Weitere Voraussetzung ist die Bedürftigkeit des Antragstellers. Er darf
im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Lage sein, die Prozesskosten zu
tragen. Dafür kommt es auf Vermögen und Einkommen an.
Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht
mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dazu muss der Antragsteller in der Regel einen
Entwurf der Klage oder der Klageerwiderung vorlegen. Sein Inhalt darf vom
Gericht, das auch den Gegner anzuhören hat, nur summarisch geprüft werden.
Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss. Sie betrifft nur die jeweilige
Instanz. Anfechtung ist möglich (§ 127 ZPO).
3. Wirkung
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass die Bundeskasse oder
Landeskasse die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und
Gerichtsvollzieherkosten sowie die auf sie übergegangenen Ansprüche der
beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das
Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann, die Partei von der
Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist und die
beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht
gelten machen können (§ 122 I ZPO). Davon nicht erfasst sind die Kosten für das
Prozesskostenhilfeverfahren selbst. (Erforderliche) Anwaltsgebühren werden von
der Staatskasse gezahlt (§ 121 ZPO).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem
Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss (§ 123 ZPO). Der
Kostenerstattungsanspruch des Gegners bleibt also bestehen. Das Gericht kann im
Übrigen unter bestimmten Voraussetzungen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe
aufheben (§ 124 ZPO).
§ 5 Zwangsvollstreckung
I. Allgemeiner Teil
1. Wesen
Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung einer hoheitlichen Anordnung
mit Hilfe staatlicher Zwangsmaßnahmen bzw. die Durchsetzung des vollstreckbaren
Anspruchs des Gläubigers mit Hilfe staatlicher Zwangsmaßnahmen in das Vermögen
des Schuldners bzw. die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den Schuldner im
Vollstreckungstitel verbrieften Anspruchs mit Hilfe staatlicher
Zwangsmaßnahmen. Sie ist erforderlich, weil der Schuldner vielfach trotz (eines
nach Abschluss des der Rechtsfindung dienenden Erkenntnisverfahrens
vorliegenden) rechtskräftigen zusprechenden Leistungsurteils nicht leisten will
oder kann und der Gläubiger selbst gegen den Schuldner keinen Zwang ausüben
darf. Deshalb sind (zwecks Rechtsverwirklichung) staatliche Zwangsmaßnahmen
notwendig.
Die Zwangsvollstreckung schließt sich meist an das
Erkenntnisverfahren an, doch gibt es auch Erkenntnisverfahren ohne
Zwangsvollstreckung (z. B. Gestaltungsklagen) und Zwangsvollstreckung ohne
Erkenntnisverfahren (z. B. Zwangsvollstreckung auf Grund einer vollstreckbaren
Urkunde). Sie hängt von einem Antrag ab, der jederzeit zurückgenommen werden
kann. Eine mündliche Verhandlung ist grundsätzlich nicht erforderlich.
Der Gläubiger hat einen Anspruch auf Vollstreckung gegen den
Staat auf Vornahme der beantragten Vollstreckungsmaßnahmen. Die zuständigen
Vollstreckungsorgane sind (bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen
Vollstreckungsantrag, Vollstreckungstitel, Vollstreckungsklausel, Zustellung)
zur Durchführung der Zwangsvollstreckung verpflichtet. Bei Bedarf kann der
Gläubiger das Tätigwerden erzwingen bzw. bei unterlassener oder verzögerter
Zwangsvollstreckung den ihm entstandenen Schaden aus Amtspflichtverletzung
ersetzt verlangen (§§ 839 BGB, Art. 34 GG).
Geregelt ist die Zwangsvollstreckung vor allem in den §§
704ff. ZPO (Buch 8 der ZPO). Für die Zwangsvollstreckung in Grundstücke gilt
hauptsächlich das gleichzeitig mit der Vereinheitlichung des Sachenrechts im
Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffene Gesetz über die Zwangsversteigerung und
Zwangsverwaltung. Hinzukommen etwa das Rechtspflegergesetz und das
Anfechtungsgesetz.
Wegen Geldforderungen haftet der Schuldner mit seinem
Vermögen, nicht mit seiner Person. In bestimmten Fällen ist die Haftung auf
einen einzelnen Gegenstand beschränkt (z. B. durch Hypothek belastetes
Grundstück). Gegen zu weit gehende Zwangsvollstreckung ist der Schuldner
gesetzlich geschützt.
2. Arten
Die Zivilprozessordnung unterscheidet (nach dem Inhalt der
Ansprüche) die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen und wegen auf andere
Leistungen gerichteten Forderungen. Bei Geldforderungen wird zwischen
Vollstreckung in bewegliches Vermögen (körperliche Sachen, Forderungen,
sonstige Vermögenswerte) und Vollstreckung in unbewegliches Vermögen getrennt.
Bei den nicht auf eine Geldleistung, sondern auf eine andere Leistung
gerichteten Ansprüchen stehen Ansprüche auf Herausgabe von Sachen, Ansprüche
auf Vornahme vertretbarer Handlungen, Ansprüche auf Vornahme unvertretbarer Handlungen,
Ansprüche auf Unterlassungen und Duldungen sowie Ansprüche auf Abgabe einer
Willenserklärung nebeneinander.
Neben der Einzelvollstreckung des einzelnen Gläubigers in
einen einzelnen Vermögensgegenstand des gesamten Vermögens des Schuldners, für
die das Prioritätsprinzip gilt, steht die Vollstreckung aller Gläubiger in das
gesamte Vermögen. Hier bilden die Gläubiger eine Verlustgemeinschaft. Diese
grundsätzlich Insolvenz des Schuldner voraussetzende Zwangsvollstreckung
(früher Konkurs) erfolgt nach den Regeln der Insolvenzordnung (früher
Konkursordnung).
3. Organe
a) Gerichtsvollzieher
Der Gerichtsvollzieher ist Träger eines hoheitlichen Amts und
funktionell für alle nicht den Gerichten zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen
zuständig (§ 753 I ZPO, z. B. Pfändung, Versteigerung, Herausgabe). Er handelt
in eigener Verantwortung und ist bei Bedarf zur Anwendung von Gewalt und Hinzuziehung
der Polizei berechtigt (§§ 758 ZPO). Gegen seine Maßnahmen oder ihre
Unterlassung können die Parteien eine Erinnerung an das Vollstreckungsgericht
(§ 766 ZPO) richten.
b) Vollstreckungsgericht
Vollstreckungsgericht ist das zur Anordnung von Vollstreckungshandlungen
und zur Mitwirkung bei Vollstreckungshandlungen zuständige Gericht. Es ist
grundsätzlich das Amtsgericht in ausschließlicher Zuständigkeit (§ 764 I ZPO,
in der Regel der Rechtspfleger). Örtlich zuständig ist grundsätzlich das
Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren (die einzelne
Vollstreckungsmaßnahme) stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 764 II ZPO).
Das Vollstreckungsgericht erlässt einerseits
Vollstreckungsmaßnahmen und entscheidet andererseits über Rechtsbehelfe (Erinnerungen
gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers). Es entscheidet durch Beschluss (§ 764
III ZPO). Gegen Vollstreckungsmaßnahmen ist die Erinnerung statthaft (§ 766
ZPO), über die das Vollstreckungsgericht (Richter) selbst entscheidet, gegen
Entscheidungen die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO)
c) Prozessgericht
Das Prozessgericht erster Instanz ist ausschließlich
zuständig für die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen (§§ 887, 888
ZPO) und von Duldungen und Unterlassungen (§ 890 ZPO) sowie für besondere
Klagen (z. B. auf Erteilung der Vollstreckungsklausel § 731 ZPO,
Vollstreckungsgegenklage § 769 ZPO).
d) Grundbuchamt
Das Grundbuchamt trägt auf Antrag des Gläubigers die
Zwangshypothek (§ 866f. ZPO) und die Pfändung einer durch eine Buchhypothek
gesicherten Forderung (§ 830 I 3 ZPO) in das Grundbuch ein, wogegen die
einfache Beschwerde zulässig ist (§ 71 GBO).
4. Voraussetzungen
a) Antrag des
Gläubigers
b) Vollstreckungstitel
Vollstreckungstitel ist die öffentliche Urkunde, aus der sich
ergibt, dass ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch mit Hilfe der
Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Partei der Zwangsvollstreckung
ist, wer im Vollstreckungstitel als Gläubiger oder Schuldner genannt ist (oder
z. B. durch Umschreibung genannt wird). Der Vollstreckungstitel bestimmt Inhalt
und Umfang der Zwangsvollstreckung.
Wichtigster Vollstreckungstitel ist das Endurteil, wobei aus
dem Urteil eines ausländischen Gerichts eine Zwangsvollstreckung nur
stattfindet, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil
ausgesprochen ist (§ 722 I ZPO). Das Endurteil ist vollstreckbar, wenn es
formell rechtskräftig ist oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist (§ 704 I
ZPO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit wird in der Regel von Amts wegen (im
Interesse des Schuldners meist gegen Sicherheitsleistung § 709 ZPO, in
bestimmten Fällen auch ohne Sicherheitsleistung § 708 ZPO) angeordnet, wobei §
717 ZPO dem Schuldner einen besonderen Schadensersatzanspruch gewährt.
Weitere Vollstreckungstitel sind beispielsweise
Kostenfestsetzungsbeschlüsse, Regelunterhaltsbeschlüsse,
Vollstreckungsbescheide, Prozessvergleiche, vollstreckbare Urkunden
(grundsätzlich vor einem Notar aufgenommene Urkunden, in denen sich der
Schuldner [auch der jeweilige Grundstückseigentümer] der sofortigen
Zwangsvollstreckung ohne vorausgehendes Urteil unterwirft) (§ 794 I ZPO),
Auszüge aus Insolvenztabellen oder der Zuschlag in der Zwangsversteigerung
eines Grundstücks (§ 93 ZVG).
c)
Vollstreckungsklausel
Vollstreckungsklausel ist die Klausel „vorstehende
Ausfertigung wird dem … zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“. Sie wird
einer Ausfertigung (amtliche Abschrift des von den Richtern unterschriebenen
Originals des bei den Akten verbleibenden Urteils, die im Rechtsverkehr die
Urschrift ersetzen soll) des Urteils (bei besonderem Interesse des Gläubigers
auch weiteren Ausfertigungen) von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 724
II ZPO, grundsätzlich des Gerichts erster Instanz) am Schluss beigefügt. Sie
ist ein amtliches Zeugnis, dass der Titel vollstreckbar ist.
Keine Vollstreckungsklausel ist erforderlich bei
Vollstreckungsbescheiden (§§ 796, 699 ZPO), Arrestbefehlen, einstweiligen
Verfügungen (§§ 929, 936 ZPO) und Kostenfestsetzungsbeschlüssen auf einem
vollstreckbaren Urteil (§ 795a ZPO). Bei der titelübertragenden
Vollstreckungsklausel wird durch die Erteilung der Klausel erst die
Vollstreckbarkeit für oder gegen die in der Klausel genannten Personen
begründet. Hängt der zu vollstreckende Anspruch von einer bestimmten Tatsache
ab, darf die Vollstreckungsklausel erst erteilt werden, wenn der Beweis des
Eintritts dieser Bedingung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte
Urkunden geführt worden ist (§ 726 I ZPO, titelergänzende
Vollstreckungsklausel).
d) Zustellung des
Urteils vor oder mit Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 I ZPO)
5. Verfahren
Das Vollstreckungsverfahren beginnt (nach Vorliegen von
Vollstreckungstitel, Vollstreckungsklausel, Zustellung und
Vollstreckungsauftrag [Antrag] an das Vollstreckungsorgan) mit der ersten gegen
den Schuldner gerichteten Handlung des Vollstreckungsorgans (z. B. Pfändung).
Dem folgen meistens mehrere weitere Maßnahmen (z. B. Versteigerung,
Aushändigung des Erlöses). Hiergegen bestehen Möglichkeiten einstweiliger
Anordnungen gegen Sicherheitsleistung oder ohne Sicherheitsleistung (§§ 732 II,
766 I S. 2, 769, 771 III ZPO). Die Zwangsvollstreckung im Ganzen ist mit der
völligen Befriedigung des Gläubigers beendet.
Die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung hat der
Vollstreckungsschuldner zu tragen (§ 788 I ZPO). Ihre Beitreibung ist ohne
besonderen Titel und Kostenfestsetzungsbeschluss zugleich mit der Vollstreckung
aus dem Urteil möglich. Auf Antrag kann aber auch ein
Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen werden.
6. Rechtsbehelfe
a) Erinnerung
Schuldner, Gläubiger und betroffener Dritter können
Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erheben (§ 766 I
ZPO). Die Erinnerung ist weder an eine Form noch an eine Frist gebunden. Über
sie entscheidet das Prozessgericht durch Beschluss.
b) Sofortige Beschwerde
Gegen Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren findet die
sofortige Beschwerde statt. Sie kann vom Schuldner, Gläubiger oder einem
betroffenen Dritten erhoben werden. Das Beschwerdegericht entscheidet durch
Beschluss.
c) Vollstreckungsgegenklage
Nach § 767 ZPO sind Einwendungen, die den durch das Urteil
festgestellten Anspruch selbst betreffen, von dem Schuldner im Wege der Klage
bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen (§ 767 I ZPO).
Die Klage steht nur dem Schuldner zu und ist gegen den Gläubiger zu richten.
Sie ist eine prozessuale Gestaltungsklage mit dem Ziel die Zwangsvollstreckung
aus dem genau bezeichneten Titel für unzulässig zu erklären.
d)
Drittwiderspruchsklage
Drittwiderspruchsklage ist die Klage eines Dritten auf Grund
der Behauptung, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die
Veräußerung hinderndes Recht (z. B. Eigentum, Nießbrauch) zustehe (§ 771 I
ZPO). Die Klage ist gegen den Gläubiger zu richten. Sie ist erst statthaft, wenn
die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand begonnen hat, und nicht
mehr statthaft, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme vollständig
durchgeführt ist.
II. Besonderer Teil
1. Zwangsvollstreckung
wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen
a) Allgemeines
Bei der Vollstreckung von Geldforderungen muss, wenn nicht
ausnahmsweise der Schuldner Geld hat, sein sonstiges Vermögen verwertet werden.
Diese Verwertung beginnt bei beweglichen Sachen, Forderungen und sonstigen
Vermögensrechten mit der Pfändung (§ 803 I 1 ZPO). Sie ist ein staatlicher
Hoheitsakt, der (trotz Nichtbestehens des vollstreckbaren Anspruchs oder
Nichtzugehörigkeit der gepfändeten Sache zum Vermögen des Schuldners) zur
Beschlagnahme führt und Verstrickung und ein Pfändungspfandrecht begründet.
Mit der Verstrickung wird der Gegenstand der Verfügungsmacht
des Schuldners entzogen und für die Befriedigung des Gläubigers sichergestellt.
Der Schuldner kann über den Gegenstand nicht mehr mit Wirkung gegenüber dem
Gläubiger verfügen (§§ 136, 135 BGB). Die Verstrickung setzt sich am Erlös der
Verwertung fort und endet mit der Beendigung der Verwertung (z. B. Aushändigung
des Erlöses an den Gläubiger) oder der Aufhebung der Pfändung.
Das Pfändungspfandrecht ist ein dem Gläubiger im Verhältnis
zu anderen Gläubigern diesselben Rechte wie ein durch Vertrag erworbenes
Pfandrecht gewährendes Recht. Es ist an die Entstehungsvoraussetzungen des
materiellen Rechts (Bestehen der Forderung, Eigentum des Schuldners) gebunden.
Die Verwertung erfolgt aber nicht als Verwirklichung des Pfandrechts, sondern
auf der Grundlage der Verstrickung (str., nach anderer Ansicht ist das
Pfändungspfandrecht ein öffentlichrechtliches Recht, das in seiner Entstehung
nicht von den materiellerechtlichen Voraussetzungen eines Pfandrechts abhängig
ist).
Unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. nicht vollständige
Befriedigung des Gläubigers durch die Pfändung) muss der Schuldner nach
Erteilung eines Auftrags des Gläubigers zur Zwangsvollstreckung ein
Vermögensverzeichnis vorlegen und an Eides Statt versichern, dass er seine
Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht hat (§§
900 I, 807 I, III ZPO).
b) Zwangsvollstreckung
in bewegliche Sachen
aa) Pfändung
aaa) Allgemeines
Was eine bewegliche körperliche Sache ist, bestimmt sich
grundsätzlich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, doch werden Früchte auf dem
Halm wie bewegliche Sachen gepfändet. Zubehör von Grundstücken ist von der
Pfändung ausgeschlossen und unterfällt der Zwangsvollstreckung in das
unbewegliche Vermögen. Wertpapiere im engeren Sinn werden als bewegliche Sachen
behandelt.
Zu Gunsten des Schuldners sind Überpfändung und zwecklose
Pfändung verboten (§ 803 ZPO). Zu Gunsten des Schuldners sind bestimmte, zu
einer bescheidenen Lebensführung notwendige bewegliche Sachen unpfändbar (§ 811
ZPO z. B. Kleidungsstücke, Küchengeräte, Kleintiere). Geschützt wird der
Schuldner auch gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer
Umstände eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist (§
765a ZPO).
Bei Bedarf kann der Gläubiger einen Herausgabeanspruch auf
eine bewegliche Sache gegen einen Dritten pfänden, der den Besitz vom Schuldner
erhalten hat. Bei rechtsgeschäftlichen Übertragungen kann er verlangen, dass
das, was der Schuldner übertragen hat, dem Vollstreckungszugriff zur Verfügung
steht (§ 11 AnfG). Unter bestimmten Voraussetzungen hat der Gläubiger einen
Mitteilungsanspruch gegenüber dem Gerichtsvollzieher (§ 806a BGB).
Diselbe Sache kann mehrach für denselben Gläubiger oder für
verschiedene Gläubiger gepfändet werden (Anschlusspfändung).
bbb) Voraussetzungen
Erforderlich ist, dass sich die zu pfändende körperliche
Sache im Gewahrsam des Schuldners befindet (§ 808 I ZPO). Gewahrsam bedeutet den unmittelbaren, mit
tatsächlicher Sachherrschaft verbundenen Besitz, wobei bei Ehegatten und
Lebenspartnern unwiderlegbar Eigentum und Besitz des Schuldners vermutet werden
(§ 739 ZPO). Sachen im Gewahrsam des Gläubigers und eines zur Herausgabe
bereiten Dritten (§ 809 ZPO) können ebenfalls gepfändet werden.
ccc) Verfahren
Die Pfändung erfolgt durch Inbesitznahme durch den
Gerichtsvollzieher (§ 808 I ZPO). Geld, Kostbarkeiten und Wertpapiere muss er
wegnehmen. Andere Sachen sind im Gewahrsam des Schuldners zu belassen (Schuldner
unmittelbarer Besitzer, Gerichtsvollzieher erststufiger mittelbarer Besitzer,
Gläubiger zweitstufiger mittelbarer Besitzer), doch ist die Wirksamkeit der
Pfändung dadurch bedingt, dass sie durch Anlegung von Siegeln (Pfandsiegeln)
oder auf sonstige Weise ersichtlich gemacht ist (§ 808 II ZPO).
Für eine Anschlusspfändung (weitere Pfändung nach einer
vorangehenden Pfändung) genügt eine in das Protokoll aufzunehmende Erklärung
des Gerichtsvollziehers (§ 826 ZPO).
bb) Verwertung
Gepfändetes Geld ist dem Gläubiger abzuliefern (§ 815 I ZPO),
wobei der Gläubiger ab Wegnahme die Gefahr des Untergangs trägt, das Eigentum
aber erst mit der Aushändigung erlangt (§ 815 III ZPO). Die Verwertung anderer
beweglicher Sachen erfolgt meist durch Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher
(§ 814 ZPO). Dabei erlischt jedes Gebot durch ein höheres Gebot und erhält der
Meistbietende (nach dreimaligem Aufruf) den Zuschlag, womit ein
öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis begründet wird, während der
Eigentumsübergang mit Ablieferung an den Ersteigerer und Barzahlung (§ 817 II
ZPO) erfolgt.
Die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher
gilt als Zahlung durch den Schuldner, so dass die Gefahr des zufälligen
Untergangs auf den Gläubiger übergeht. Eigentum an der Sache, Verstrickung und
Pfändungspfandrecht setzen sich am Erlös fort (dingliche Surrogation). Mit der
Auszahlung des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher an den Gläubiger erwirbt
der Gläubiger das Eigentum am Erlös unabhängig von einem möglichen Eigentum
eines Dritten an der gepfändeten Sache und dem erzielten Erlös.
Möglich sind auch andere Arten der Verwertung.
c) Zwangsvollstreckung
in Forderungen
aa) Pfändung
(Angebliche, dem Schuldner zustehende, übertragbare)
Forderungen können Gegenstand der Pfändung durch das Vollstreckungsgericht (§
828 I ZPO) sein. Dabei ist wiederkehrend zahlbares Entgelt für unselbständige
Arbeit (Arbeitseinkommen) nur unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen
(§§ 850a-850i ZPO) pfändbar. Allerdings kann verschleiertes Arbeitseinkommen
gemäß § 850h ZPO erfasst werden.
Die Pfändung führt zur Beschlagnahme der Forderung. Der
Gläubiger erhält durch den auf Antrag erfolgenden Pfändungsbeschluss, der dem
Drittschuldner Zahlung an den Schuldner verbietet und dem Schuldner Enthaltung
von jeder Verfügung über die Forderung (z. B. Einzug) gebietet, ein
Pfändungspfandrecht. Der Pfändungsbeschluss bewirkt die Verstrickung, so dass
der Schuldner nicht mehr mit Wirkung gegen den Gläubiger über die Forderung
verfügen kann (§§ 135, 136 BGB).
bb) Verwertung
Die Verwertung der Forderung erfolgt durch den
Überweisungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts, der fast immer mit dem
Pfändungsbeschluss verbunden wird. Die Überweisung erfolgt nach Wahl des
Gläubigers zur Einziehung oder an Zahlungs Statt zum Nennwert (§ 835 I ZPO).
Bei der meist gewählten Überweisung zur Einziehung erhält der Gläubiger die
Befugnis, die im Vermögen des Schuldners verbleibende Forderung einzuziehen (z.
B. einzuklagen, Prozessstandschaft, str.).
Für die Pfändung hypothekarisch gesicherter Forderungen
bestehen einige Besonderheiten.
d) Zwangsvollstreckung
in Herausgabeansprüche und Leistungsansprüche
Die Zwangsvollstreckung erfolgt grundsätzlich nach den
Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Geldforderungen (§ 846 ZPO), doch
ist die Sache an einen Gerichtsvollzieher bzw. Sequester herauszugeben (§§ 847,
848 ZPO).
e) Zwangsvollstreckung
in andere Vermögensrechte
Auch andere übertragbare Rechte können Gegenstand der
Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen sein (§ 857 I ZPO, z. B.
Urheberrecht, Eigentümergrundschuld, Vorkaufsrecht, Miterbenanteil,
Anwartschaftsrecht, Internetdomain). Die Pfändung erfolgt durch Beschluss des
Vollstreckungsgerichts (bei Anwartschaftsrecht Pfändung des Anwartschaftsrechts
und der Sache). Die Verwertung kann durch Überweisung des Rechts oder eine
andere Art geschehen.
2. Zwangsvollstreckung
wegen Geldforderungen in das unbewegliche Vermögen
In Grundstücke, Miteigentumsanteile an Grundstücken,
Erbaurechte, Wohnungseigentum usw. kann nach freier Wahl des Gläubigers durch
Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung (Zwangshypothek), durch
Zwangsversteigerung oder durch Zwangsverwaltung (§ 866 I ZPO) vollstreckt
werden (§ 866 I ZPO). Vollstreckungsorgan ist für Zwangsversteigerung und
Zwangsverwaltung das Amtsgericht, in dessen Bezirk die unbewegliche Sache liegt
(§ 1 I ZVG), für die Zwangshypothek das Grundbuchamt. Neben Gläubiger und
Schuldner können Dritte beteiligt sein (z. B. Mieter).
a) Zwangshypothek
Durch die Zwangshypothek erreicht der
Gläubiger ein dingliches Recht (Sicherungshypothek) und damit eine Rangstelle
bei einer eventuellen Zwangsversteigerung. Die Eintragung erfolgt auf seinen
(formlosen) Antrag (§ 867 I ZPO). Zur Befriedigung muss er Zwangsversteigerung
oder Zwangsverwaltung betreiben.
b) Zwangsversteigerung
Die Anordnung der Zwangsversteigerung erfolgt auf Antrag des
Gläubigers durch das Vollstreckungsgericht (§ 15 ZVG), wobei der Schuldner als
Eigentümer im Grundbuch eingetragen oder Erbe des Eigentümers sein muss (§ 17
ZVG). Mit dem Anordnungsbeschluss erfolgt eine Beschlagnahme des Grundstücks (§
20 ZVG, Veräußerungsverbot zu Gunsten des betreibenden Gläubigers, §§ 23 I ZVG,
135, 136 BGB). Zugleich erlangt der Gläubiger das Recht auf Befriedigung aus
dem Grundstück (§ 10 I Nr. 5 ZVG).
Die Versteigerung erfolgt durch das Vollstreckungsgericht (§
35 ZVG) an dem von ihm bestimmten Versteigerungstermin. Im Versteigerungstermin
werden das geringste Gebot (alle dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Rechte
und Kosten des Verfahrens, § 44 I ZVG) und die Versteigerungsbedingungen
festgestellt. Danach fordert das Gericht zur Abgabe von (das geringste Gebot
erreichenden) Geboten auf und kann frühestens nach 30 Minuten das letzte Gebot
und den Schluss der Versteigerung verkünden.
Danach entscheidet das Gericht über den Zuschlag durch mit
der Verkündung wirksamen Beschluss, wobei auf Antrag eines (benachteiligten)
Gläubigers der Zuschlag im ersten Versteigerungstermin nicht erteilt werden
darf, wenn das Meistgebot einschließlich der bestehenbleibenden Rechte sieben
Zehntel des Grundstückswerts nicht erreicht (§§ 74a, 74b ZVG). Der Ersteher
wird kraft Hoheitsakts Eigentümer des Grundstücks und zusätzlich erfasster
Gegenstände (§ 90 ZVG). Für durch das Bargebot gedeckte nicht bestehen
bleibende Hypotheken und Grundschulden tritt an die Stelle des Grundstücks der
Erlös.
Nach Erteilung des Zuschlags findet das Verteilungsverfahren
statt. In ihm ist die Teilungsmasse festzustellen (meist Bargebot, § 107 ZPO).
Auf Grund Anhörung der Beteiligten wird ein Teilungsplan aufgestellt (§ 113
ZVG).
c) Zwangsverwaltung
Die Zwangsverwaltung setzt Vollstreckungstitel,
Vollstreckungsklausel und Zustellung sowie Antrag des Gläubigers (und
Eigenbesitz des Schuldners) voraus. Sie wird vom Vollstreckungsgericht
angeordnet. Dem Schuldner wird die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks
entzogen und einem Zwangsverwalter (natürliche Person, im eigenen Namen
handelndes Organ) zur Erhaltung und ordnungsgemäßen Nutzung zugeteilt (§ 150
ZVG).
Die Verteilung der Nutzungen erfolgt nach einem Teilungsplan.
Den Berechtigten sind planmäßig Beträge zu zahlen. Die Zwangsverwaltung ist
durch Beschluss aufzuheben, wenn der Gläubiger befriedigt ist (oder bei einer
Zwangsversteigerung der Zuschlag erteilt wird).
3. Zwangsvollstreckung
wegen anderer Ansprüche
a) Zwangsvollstreckung von Herausgabeansprüchen
aa) Ansprüche auf Herausgabe einer bestimmten beweglichen
Sache
Hat der Schuldner eine bewegliche Sache oder eine Menge
bestimmter beweglicher Sachen herauszugeben, so sind sie von dem
Gerichtsvollzieher ihm (notfalls durch unmittelbaren Zwang) wegzunehmen und dem
Gläubiger zu übergeben (§ 883 I ZPO). Wird die herauszugebende Sache beim
Schuldner nicht vorgefunden, so ist der Schuldner verpflichtet, auf Antrag des
Gläubigers zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die Sache nicht
besitze, auch nicht wisse, wo die Sache sich befinde (§ 883 II ZPO). Ist der
Schuldner zur Übereignung verpflichtet, muss ebenfalls die Wegnahme erfolgen,
zu der die Einigung im Wege des § 897 ZPO hinzukommen muss.
b) Ansprüche auf Herausgabe einer bestimmten Menge
beweglicher Sachen oder Wertpapiere
Der Gerichtsvollzieher muss eine bestimmte Menge beweglicher
Sachen und Wertpapiere dem Schuldner wegnehmen, womit Konkretisierung bzw.
Konzentration der Schuld eintritt, und dem Gläubiger übergeben (§ 884 ZPO).
c) Ansprüche auf Herausgabe, Überlassung oder Räumung
unbeweglicher Sachen
Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner aus dem Besitz zu
setzen und den Gläubiger in den Besitz zu setzen (§ 885 I 1 ZPO). Bei
Ansprüchen auf Räumung von Häusern und Wohnungen besteht ein besonderer
Schuldnerschutz (§§ 721, 794a ZPO). Dabei auszuräumende bewegliche Sachen des
Schuldners sind dem Schuldner oder einer Naheperson zu übergeben oder zur Verfügung
zu stellen oder notfalls vom Gerichtsvollzieher zu verwahren (§ 885 II ZPO).
d) Sachen im Gewahrsam eines Dritten
Ist der Dritte nicht zur Herausgabe bereit, so ist der
Anspruch des Schuldners auf Herausgabe gegen den Dritten zu pfänden und dem
Gläubiger zur Einziehung zu überweisen (§ 886 ZPO).
b) Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen,
Unterlassungen und Duldungen
aa) Ansprüche auf Vornahme einer vertretbaren Handlung
Erfüllt der Schuldner eine Verpflichtung zur Vornahme einer
auch von einem anderen vornehmbaren Handlung nicht, so ist der Gläubiger auf
Antrag nach Anhörung des Schuldners von dem Prozessgericht des ersten
Rechtszugs zu ermächtigen, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu
lassen (§ 887 I ZPO, Ersatzvornahme). Die entsprechenden Kosten muss der
Gläubiger im Weg der Vollstreckung von Geldforderungen eintreiben (§ 887 II
ZPO). Stattdessen kann er auch den Schadensersatzanspruch geltend machen (§ 893
ZPO).
bb) Ansprüche auf Vornahme unvertretbarer Handlungen
Hängt die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners
ab, wird auf Antrag des Gläubigers durch das Prozessgericht des ersten
Rechtszugs als Beugemaßnahme nach seinem Ermessen Zwangsgeld (zu Gunsten der
Justizkasse) oder Zwangshaft verhängt (§ 888 I 1 ZPO). Hängt die Handlung nicht
ausschließlich vom Willen des Schuldners ab, ist eine Vollstreckung unmöglich.
Der Gläubiger kann jedoch Schadensersatz verlangen (§ 893 ZPO).
cc) Ansprüche auf Unterlassung oder Duldung einer Handlung
Handelt der Schuldner einer Verpflichtung zur Unterlassung
oder Duldung zuwider, ist er wegen jeder Zuwiderhandlung auf Antrag des
Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs (nach vorangehender
Androhung und Anhörung) durch Beschluss zu einem Ordnungsgeld von bis zu 250000
Euro oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen (§ 890 ZPO).
dd) Ansprüche auf Abgabe einer Willenserklärung
Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung (z. B.
Annahme eines Angebots) verurteilt, so gilt die Erklärung als (formgerecht)
abgegeben, sobald das Urteil (Leistungsurteil) Rechtskraft erlangt hat (§ 894 I
1 ZPO, Fiktion).
4. Eidesstattliche
Versicherung und Haft
Eine Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe einer
eidesstattlichen Versicherung aus den §§ 807, 836, 883 ZPO wird nach den §§
899ff. ZPO vollstreckt. Voraussetzungen sind grundsätzlich Vorliegen eines
Vollstreckungstitels und Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung. Das Verfahren
beginnt mit dem Auftrag des Gläubigers zur Bestimmung eines Termins zur Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung (§ 900 I 1 ZPO).
Das Vollstreckungsgericht führt ein Verzeichnis der Personen,
die eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgegeben haben oder gegen
die wegen Nichtabgabe auf Antrag durch Beschluss Haft nach § 901 ZPO angeordnet
worden ist (§ 915 ZPO, Schuldnerverzeichnis). Über die Eintragungen ist auf
Antrag Auskunft zu erteilen (§ 915b I ZPO). Spätestens am Ende des dritten der Eintragung
nachfolgenden Jahrs wird die Eintragung gelöscht.
5. Arrest und
einstweilige Verfügung
a) Arrest
Der im Rahmen der Zwangsvollstreckung geregelte Arrest ist
ein summarisches Erkenntnisverfahren in Fällen besonderer Dringlichkeit.
Möglich ist dinglicher Arrest (§ 917 ZPO) oder persönlicher Arrest (§ 918 ZPO).
Sie dürfen nur zur Sicherung des Gläubigers und nicht bereits zur Befriedigung
des Gläubigers dienen.
aa) Voraussetzungen
Der Arrest setzt einen Arrestanspruch und einen Arrestgrund
voraus. Arrestanspruch ist eine Geldforderung oder ein Anspruch, der in eine
Geldforderung übergehen kann (§ 916 ZPO). Arrestgrund ist die Besorgnis, dass
ohne Verhängung des Arrests die Vollstreckung des Urteils (z. B. durch Flucht)
vereitelt oder wesentlich erschwert würde (§ 917 I ZPO, besondere Art des
Rechtsschutzbedürfnisses, str.).
bb) Verfahren
Für die Anordnung des Arrests sind das Gericht der Hauptsache
und das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der entsprechende
Gegenstand oder die entsprechende Person befindet (§ 919 ZPO). Der Gläubiger
muss ein Gesuch anbringen und grundsätzlich Arrestanspruch und Arrestgrund
glaubhaft machen (§ 920 II ZPO). Das Gericht kann das Gesuch durch Beschluss
oder Urteil zurückweisen oder einen Arrestbefehl (mit Lösungssumme) erlassen.
cc) Rechtsbehelfe
Gegen die Abweisung des Gesuchs, steht dem Gläubiger die Beschwerde
zu (§ 567 I 1 ZPO). Gegen den stattgebenden Beschluss ist der Widerspruch
gegeben (§ 924 I ZPO). Gegen eine Entscheidung durch Urteil ist die Berufung
(bei Versäumnisurteilen Einspruch) statthaft (nicht die Revision § 542 II 1
ZPO). Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht dem Gläubiger aufzugeben,
binnen einer bestimmten Frist Klage in der Hauptsache zu erheben (§ 926 I ZPO).
Außerdem kann der Schuldner beantragen, den Arrestbefehl aufzuheben (§§ 926 II,
927 ZPO).
dd) Vollziehung
Beim dinglichen Arrest sind binnen eines Monats nach
Verkündung bzw. Zustellung des Arrestbefehls an den Gläubiger Pfändung bei
beweglichen Sachen und Forderungen (Arrestpfandrecht) oder Eintragung einer
Sicherungshypothek bei unbeweglichen Sachen nötig.
ee) Schadensersatzanspruch
Erweist sich die Anordnung eines Arrests als von Anfang an
ungerechtfertigt oder wird die angeordnete Maßregel auf Grund des § 926 II oder
des § 942 III ZPO aufgehoben, so muss die erwirkende Partei dem Gegner den
entstandenen Schaden ersetzen (§ 945 ZPO).
b) Einstweilige Verfügung
Die einstweilige Verfügung soll andere Ansprüche als
Geldforderungen (z. B. Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung einer
Abbildung) sichern. Sie ist in der Zivilprozessordnung im Wesentlichen nur
durch Verweis auf den Arrest geregelt (§ 936 ZPO). Sie ist rechtstatsächlich
von erheblicher Bedeutung (Sicherungsverfügung § 935 ZPO, Regelungsverfügung §
940 ZPO, Befriedigungsverfügung oder Leistungsverfügung,
Unterlassungsverfügung).
aa) Voraussetzungen
Die einstweilige Verfügung bedarf eines Verfügungsanspruchs
und eines Verfügungsgrunds.
bb) Verfahren
Es gelten grundsätzlich die Vorschriften über den Arrest.
§ 6 Europäisches
Zivilprozessrecht
Wegen der wachsenden Internationalisierung sind vor allem
seit dem zweiten Weltkrieg verschiedene internationale Vereinbarungen über das
internationale Zivilverfahrensrecht abgeschlossen worden. Innerhalb der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war das Übereinkommen über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ zwischen Deutschland,
Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg) besonders
wichtig, dem 1988 (in Lugano) ein Übereinkommen zwischen den (seinerzeit zwölf)
Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaften und den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation
zur Seite gestellt wurde. Mit Wirkung vom 1. März 2002 ist das Übereinkommen
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch die (inhaltlich nicht sehr
abweichende, aber) unmittelbar geltende Verordnung über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ersetzt, der sich das Vereinigte Königreich
und Irland zwar nicht unterworfen, aber angeschlossen haben, während das
Verhältnis zu Dänemark noch nach dem älteren Übereinkommen geregelt ist.
I. Sachlicher
Anwendungsbereich
Die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
findet Anwendung auf Zivilsachen und Handelssachen. Maßgeblich hierfür ist die
Rechtsnatur des Streitgegenstands. Er ist öffentlichrechtlich (und damit nicht
zivilrechtlich oder handelsrechtlich), wenn er in Zusammenhang mit der Ausübung
hoheitlicher Befugnisse steht und hier seinen Ausgang nimmt.
Bedeutungslos ist nach dem Wortlaut der Verordnung, ob der
Rechtsstreit einen grenzüberschreitenden Bezug hat oder ob er eine besondere
Beziehung zu einem Vertragsstaat aufweist. Entscheidend ist nur, dass der
Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat oder ein Grundstück als
Gegenstand des Rechtsstreits in einem Mitgliedstaat gelegen ist. Darüber hinaus
wird aber in jedem Einzelfall ein Auslandsbezug verlangt.
II. Zuständigkeit
Der allgemeine Gerichtsstand knüpft an den Wohnsitz des
Beklagten an (Art. 2 I EuGVVO), der sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts
bestimmt (z. B §§ 7ff. BGB), wobei die Anhängigkeit eines Rechtsstreits bei
einem Gericht die Zuständigkeit eines anderen, später angerufenen Gerichts
beseitigt (Art. 27 II EuGVVO). Bei juristischen Personen ist der Sitz
maßgeblich (Art. 60 EuGVVO). Neben dem allgemeinen Gerichtsstand bestehen
verschiedene besondere Gerichtsstände (z. B. Erfüllungsort, Wohnsitz des
Verbrauchers, Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist) und die
Möglichkeit der Gerichtstandsvereinbarung.
III. Anerkennung und
Vollstreckung von Urteilen
Anerkennungsfähig sind alle Entscheidungen eines Gerichts
eines Vertragsstaats, die einem Bürger etwas zusprechen oder aberkennen. Die
Anerkennung setzt kein besonderes Verfahren voraus und darf nur unter
bestimmten Voraussetzungen (z. B. Verletzung des ordre public) abgelehnt
werden. Meist erfolgt die Anerkennung im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung
einer Vollstreckbarkeitserklärung, doch ist auch ein selbständiges
Anerkennungsverfahren möglich.
Voraussetzung für die Vollstreckung einer von einem Gericht
eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung ist eine
Vollstreckbarerklärung (Art. 38 EuGVVO). Der entsprechende Antrag ist in
Deutschland an den Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichts zu richten, in
dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Die formalen Voraussetzungen
bestimmt das jeweilige nationale Recht (z. B. Titel, Klausel, Zustellung).
Bejaht der Zuständige die Voraussetzungen einer
Vollstreckbarerklärung, so hat er durch Beschluss anzuordnen, dass der Titel
mit einer inländischen Vollstreckungsklausel versehen wird. Der mit der Klausel
versehene Titel ist dem Schuldner zuzustellen. Die Vollstreckung erfolgt nach
dem jeweiligen nationalen Vollstreckungsrecht.