Gerhard Köbler
FERNKERNLERNKURS RECHT
Privatrecht
Privatversicherungsrecht
§ 1 Versicherung im
Allgemeinen
§ 2 Einzelne Arten der
Versicherung
Privatversicherungsrecht ist
die Gesamtheit ein vertragliches Versicherungsverhältnis zwischen einem Versicherer
und einem Versicherten (Versicherungsnehmer) betreffenden Rechtssätze.
Da die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie ein Gewerbe ist, für welches
das betreffende Unternehmen regelmäßig nach Art oder Umfang einen in
kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, lässt sich das
Privatversicherungsrecht zum Handelsrecht im weiteren Sinn zählen. Es ist
hauptsächlich im Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. 5. 1908 (Versicherungsvertragsgesetz)
geregelt, doch werden Einzelheiten in weitem Umfang auch durch allgemeine
Versicherungsbedingungen bestimmt.
Das
Versicherungsvertragsgesetz gliedert sich inhaltlich in einen allgemeinen Teil,
der Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige enthält (§§ 1ff. VVG), und
in einen besonderen Teil (§§ 49ff. VVG), der die besonderen Vorschriften
einzelner Versicherungsarten umfasst. Als solche werden Schadensversicherung
(§§ 49ff. VVG), Lebensversicherung und Krankenversicherung (§§
159ff. VVG) sowie Unfallversicherung (§§ 179ff. VVG) von einander
getrennt. Innerhalb dieser Versicherungsarten bestehen kleinere Unterarten.
Von der Privatversicherung
ist die öffentlichrechtliche Sozialversicherung zu unterscheiden. Bei
ihr handelt es sich um eine (nur) im Grundsatz auch auf dem Leistungsprinzip
und dem Gegenleistungsprinzip aufgebaute Einrichtung, die auf die gemeinsame
Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch
Verteilung auf eine organisierte Vielheit abzielt. Sie ist eine
öffentlichrechtliche Versicherung mit sozialer Ausrichtung (und vielfach
Zwangsmitgliedschaft), die sich in Krankenversicherung, Rentenversicherung,
Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung gliedert.
§ 1 Versicherung im Allgemeinen
I.
Wesen
Versicherung ist die
Verlagerung einer Schadensgefahr eines Einzelnen auf eine Gefahrengemeinschaft,
insbesondere die Deckung eines durch bestimmte Ereignisse (z. B. Krankheit)
hervorgerufenen zufälligen schätzbaren Bedarfs (z. B. voraussichtliche Kosten
aller Krankheiten [aller Versicherten]) unter Verteilung auf eine möglichst
große Zahl gleichartig bedrohter Personen. Sie beruht auf dem Streben des
Menschen nach Sicherung seines Daseins. Sie ist wirtschaftlich durchführbar mit
Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Parteien der Versicherung
bzw. des Versicherungsvertrags sind Versicherer (Versicherungsunternehmer)
und Versicherungsnehmer (Versicherter,
Abnehmer der Versicherungsleistung). Der Versicherer ist vielfach eine Aktiengesellschaft,
kann aber auch (rechtsfähiger) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
sein (§ 15 VAG), wobei für den großen (und den gemischten) Versicherungsverein,
der auch Nichtmitglieder versichern kann, teilweise das Aktienrecht entsprechend anzuwenden ist. Der
Versicherungsnehmer ist nicht notwendig Inhaber des Anspruchs auf die
Versicherungsleistung, vielmehr ist der Versicherungsvertrag vielfach als Vertrag
zugunsten Dritter (§§ 328ff. BGB) gestaltet (z. B.
Lebensversicherung).
II.
Arten
Nach § 1 VVG lässt sich
zwischen Schadensversicherung und Personenversicherung unterscheiden.
Überzeugender ist aber die Gegenüberstellung von Schadensversicherung und
Summenversicherung sowie Personenversicherung und Nichtpersonenversicherung.
Bei der Summenversicherung gilt der Grundsatz der abstrakten Bedarfsdeckung, so
dass insbesondere die Bestimmungen über Überversicherung, Unterversicherung und
Doppelversicherung keine Anwendung finden.
III.
Entstehung
Wie jedes andere
Vertragsverhältnis (vertragliche Schuldverhältnis) kommt der Versicherungsvertrag
durch Angebot und Annahme zustande, wobei eine Rückwirkung vereinbart werden
kann (§ 2 VVG). In der Regel stellt nach unverbindlichen Vorgesprächen (evtl.
mit einem Versicherungsagenten, vgl. zu diesem die §§ 43ff. VVG) der
Versicherungsnehmer einen Versicherungsantrag, wobei er in diesem
Zusammenhang alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr
erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen hat. Die Annahme kommt regelmäßig
schlüssig in der Übersendung des Versicherungsscheins (d. h. einer vom
Versicherer [evtl. faksimiliert] unterzeichneten Urkunde über den
Versicherungsvertrag, die der Versicherer nach § 3 VVG dem Versicherungsnehmer
aushändigen muss,) zum Ausdruck.
IV.
Inhalt
Aus dem Versicherungsvertrag
schuldet der Versicherer dabei grundsätzlich nur eine ständige Leistungsbereitschaft.
Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls wandelt sich die Gefahrtragungspflicht aber
in eine Geldleistungspflicht um. Dies bedeutet für die
Schadensversicherung, dass der Versicherer den Vermögensschaden zu ersetzen
hat, und für die Summenversicherung (z. B. Lebensversicherung,
Unfallversicherung), dass der Versicherer den vereinbarten Betrag an Kapital
oder Rente zu zahlen oder die sonst vereinbarte Leistung zu bewirken hat (§ 1 I
VVG), wobei Geldleistungen des Versicherers mit Beendigung der zur Feststellung
des Versicherungsfalls und des Leistungsumfangs nötigen Erhebungen fällig sind (§
11 VVG).
Der Versicherungsnehmer hat
die vereinbarte Prämie, die bei den Versicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit als Beitrag bezeichnet wird, an den Versicherer zu zahlen (§§ 1
II, 35ff. VVG). Sie ist die Gegenleistung für die dauernde
Leistungsbereitschaft und die tatsächliche Leistung im Versicherungsfall. Daneben
hat der Versicherungsnehmer zahlreiche Obliegenheiten, d. h.
Rechtsgebote im eigenen Interesse.
Für diese Obliegenheiten
trifft § 6 VVG eine Reihe von allgemeinen Bestimmungen. Danach tritt, wenn im
Vertrag bestimmt ist, dass bei Verletzung einer vor Eintritt des
Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit des Versicherungsnehmers
gegenüber dem Versicherer der Versicherer von seiner Leistungspflicht
frei sein soll, die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung als
unverschuldete anzusehen ist (§ 6 I 1 VVG, beachte § 6 I 2, 3 VVG für ein
entsprechendes Kündigungsrecht). Ist eine Obliegenheit verletzt, die von dem
Versicherungsnehmer zum Zweck der Gefahrverminderung oder der
Gefahrerhöhungsverhütung dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so kann
sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn
die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den
Umfang der Leistung gehabt hat (§ 6 II VVG). Ist die Leistungsfreiheit für den
Fall vereinbart, dass eine Obliegenheit verletzt wird, die nach dem Eintritt
des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so tritt die
vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch
auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 6 III 1 VVG, beachte auch § 6 III 2 VVG).
Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer
Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt sein soll, ist unwirksam (§ 6 IV
VVG).
Nach dem Abschluss des
Vertrags darf der Versicherungsnehmer nicht ohne Einwilligung des Versicherers
eine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten
gestatten (§ 23 I VVG).
Nach dem Eintritt des
Versicherungsfalls hat der Versicherungsnehmer, sobald er von dem Eintritt
Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Der
Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalls verlangen, dass der
Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des
Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers
erforderlich ist (§ 34 I VVG).
V.
Beendigung
Das Erlöschen des Versicherungsvertragsverhältnisses
bestimmt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln.
§ 2 Einzelne Arten der
Versicherung
I. Schadensversicherung
1.
Allgemeine Bestimmungen
Für alle Sparten der
Schadensversicherung gelten die allgemeinen Vorschriften für die gesamte
Schadensversicherung der §§ 49ff. VVG. Danach ist regelmäßig nur der
entstandene Schaden zu ersetzen, nicht dagegen ein entgangener Gewinn (§
55 VVG, anders bei besonderer Vereinbarung § 53 VVG). Der Versicherer haftet
nur bis zur Höhe der Versicherungssumme, auch wenn der Schaden diese
übersteigt (§ 50 VVG), wobei die Versicherungssumme nicht größer sein soll als
der Wert der versicherten Sachen (§ 50 VVG, Herabsetzungsverlangen möglich § 51
VVG, Doppelversicherung evtl. zulässig § 59 VVG).
Führt der Versicherungsnehmer
den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbei, ist
der Versicherer von seiner Leistungsverpflichtung frei (§ 61 VVG).
Der Versicherungsnehmer ist
verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die
Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (§ 62 VVG).
Steht dem Versicherungsnehmer
auf Grund des schädigenden Ereignisses ein Schadensersatzanspruch gegen einen
(schädigenden) Dritten zu, so geht kraft Gesetzes der Schadensersatzanspruch
des Versicherungsnehmers auf den Versicherer über (§ 67 VVG, gesetzlicher
Forderungsübergang), soweit der Versicherer dem Versicherungsnehmer den
Schaden ersetzt. Bei Veräußerung der versicherten Sache tritt der
Erwerber in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein (§§ 69ff. VVG,
Kündigungsrecht). Die Versicherung im eigenen Namen für fremde Rechnung
ist möglich (§§ 74ff. VVG).
2.
Feuerversicherung
Feuerversicherung ist die
Schadensversicherung, bei welcher der Versicherer für den durch Brand, Explosion
oder Blitzschlag entstehenden oder unmittelbar damit zusammenhängenden Schaden
haftet (§ 82 VVG, ausgenommen Erdbeben, Krieg § 84 VVG). Bei der
Feuerversicherung haben vielfach öffentlichrechtliche Körperschaften ein
territoriales Versicherungsmonopol. Für den Vertragsabschluss, die
Anzeige des Versicherungsfalls, die Kündigung des Versicherungsverhältnisses
und die Haftung nach einem Versicherungsfall gelten Sonderregeln (§§ 81ff. VVG,
z. B. erlischt der Antrag binnen 2 Wochen). Vielfach besteht Versicherungspflicht.
Bei der Gebäudeversicherung
erstreckt sich ein Grundpfandrecht auch auf die Versicherungsforderungen.
3.
Hagelversicherung
Hagelversicherung ist die
Schadensversicherung, bei welcher der Versicherer für den durch Einwirkung des
Hagelschlags entstehenden Schaden an den versicherten Bodenerzeugnissen haftet
(§§ 108ff. VVG).
4.
Tierversicherung
Tierversicherung ist die
Schadensversicherung, bei welcher der Versicherer für den durch den Tod
(Verenden, Nottötung) des versicherten Tiers entstehenden Schaden haftet (§ 116
VVG, nicht sog. Schlachtviehversicherung).
5.Transportversicherung
Transportversicherung ist die
Schadensversicherung, bei welcher Güter gegen die Gefahren der Beförderung zu
Lande oder auf Binnengewässern versichert werden (§§ 129ff. VVG, u. a.
Speditionsversicherung).
6.
Haftpflichtversicherung
Haftpflichtversicherung ist
die Schadensversicherung, bei welcher der Versicherer verpflichtet ist, dem
Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit
für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache (Haftung) an
einen Dritten zu bewirken hat (§ 149 VVG), und ihn von etwaigen Ansprüchen
Dritter freizuhalten und ihm Rechtsschutz zu gewähren (z. B. Kosten der
Verteidigung). Zwischen dem Versicherten und dem Dritten besteht hier ein
Haftpflichtverhältnis und zwischen dem Versicherten und dem Versicherer das
Versicherungsverhältnis, während zwischen dem Dritten und dem Versicherer
grundsätzlich kein unmittelbares Rechtsverhältnis vorhanden ist. Der Abschluss
einer Haftpflichtversicherung kann gesetzlich vorgeschrieben sein (§§ 158b VVG,
Kraftfahrzeughalter).
Nach den für diese
Versicherungssparte geltenden Sonderregeln haftet der Versicherer nicht, wenn
der Versicherte den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 152
VVG). Der Versicherungsnehmer hat binnen einer Woche den Anspruch des Dritten
bzw. die Möglichkeit dazu dem Versicherer anzuzeigen (§ 153 VVG). Verfügungen
des Versicherungsnehmers über seine Entschädigungsforderung gegen den
Versicherer sind dem Geschädigten gegenüber unwirksam (§ 156 VVG).
Nach § 3 PflVersG hat neben
dem Versicherten der geschädigte Dritte einen eigenen unmittelbaren Anspruch (Direktanspruch)
gegen den Versicherer. Dieser haftet ihm neben dem Versicherten als
Gesamtschuldner. Der Versicherer kann dem Geschädigten nicht entgegenhalten,
dass er von der Leistungspflicht frei ist, weil der Versicherte gegen den
Versicherungsvertrag verstoßen hat.
II. Lebensversicherung
Lebensversicherung ist die
auf den Tod (Todesfallversicherung) oder das Erreichen eines bestimmten
Lebensjahrs (Erlebensversicherung) eines Menschen oder eine alternative
Verknüpfung beider Ereignisse ausgerichtete Versicherung. Die Lebensversicherung
kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines Dritten
(Fremdversicherung) genommen werden, wobei für die Lebensversicherung auf die
Person eines Dritten in der Regel dessen schriftliche Einwilligung erforderlich
ist (§ 159 VVG). Die Versicherungsleistung kann im Versicherungsfall als
Geldsumme oder als Geldrente zu erbringen sein.
Ist ein Dritter als
Bezugsberechtigter bestimmt, so gehört der Anspruch auf die
Versicherungsleistung nicht zum eventuellen Nachlass des Versicherten. Er wird
vom Dritten erst im Zeitpunkt des Versicherungsfalls erworben. Bis dahin kann
der Versicherungsnehmer die Person des Bezugsberechtigten ändern.
Bei Selbsttötung des
Menschen, auf den eine Todesfallversicherung genommen wurde, wird der
Versicherer frei, wenn die Tat im Zustand freier Willensbestimmung begangen
wurde (§ 169 VVG). Führt der Versicherungsnehmer oder der Bezugsberechtigte den
Tod des versicherten Menschen vorsätzlich herbei, so wird der Versicherer frei
bzw. verliert der Dritte seine Bezugsberechtigung (§ 170 VVG). Im Übrigen muss
der Versicherer die vereinbarte Leistung erbringen.
III. Unfallversicherung
Unfallversicherung ist die
(von der gesetzlichen Unfallversicherung der öffentlichrechtlichen
Sozialversicherung zu trennende private) Versicherung gegen den dauernden oder
zeitweiligen Wegfall der Erwerbsunfähigkeit durch Unfall, wobei ein Unfall
vorliegt, wenn der Versicherte durch ein plötzliches, von außen auf seinen
Körper wirkendes Ereignis in seiner Gesundheit beschädigt wird. Die
Unfallversicherung kann gegen Unfälle des Versicherungsnehmers oder eines
anderen genommen werden (§ 179 VVG). Führt der Versicherungsnehmer den Unfall
vorsätzlich herbei, wird der Versicherer frei (§ 181 VVG).
IV. Krankenversicherung
Krankenversicherung ist die (von
der gesetzlichen Krankenversicherung zu trennende private) Versicherung, bei
der für den Versicherungsfall der Krankheit Ersatz des durch notwendige
Heilungskosten entstehenden Schadens als Versicherungsleistung gewährt wird
(außerdem Wochenhilfe, Sterbegeld), wobei Krankheit ein nach ärztlichem Urteil
anormaler körperlicher oder geistiger Zustand ist.
V. Rückversicherung
Rückversicherung ist die
Versicherung eines Versicherers gegen die Inanspruchnahme durch
Versicherungsnehmer. Sie soll die Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherers
gewährleisten. Dies geschieht mit Hilfe der Verteilung des Risikos auf alle
oder viele Versicherer.