Gerhard Köbler
FERNKERNLERNKURS
RECHT
Privatrecht
Internationales
Privatrecht
§ 1 Allgemeine Grundsätze
§ 2 Deutsches internationales
Privatrecht
§ 1 Allgemeine Grundsätze
I. Wesen
Internationales Privatrecht (Kollisionsrecht, Verweisungsrecht)
ist die Gesamtheit der Rechtssätze (des [deutschen] Rechts), die festlegen,
welche von mehreren möglichen nationalen Privatrechtsordnungen in einem Kollisionsfall
zur Anwendung kommt (z. B. Deutscher heiratet Französin in Amerika, Deutscher
testiert in Italien und stirbt in England). Ein Kollisionsfall liegt dann vor,
wenn ein Sachverhalt irgendeine Auslandsberührung hat (z. B.
ausländische Staatsangehörigkeit, ausländischer Wohnsitz, ausländischer
Aufenthalt, ausländische Lage [Belegenheit] einer Sache, ausländischer
Abschlussort eines Rechtsgeschäfts). Unerheblich ist, wie diese
Auslandsberührung tatsächlich aussieht.
In den Kollisionsfällen beantwortet das internationale Recht
die Frage, ob deutsches Recht oder ausländisches Recht anwendbar ist (bzw.
gegebenenfalls welches ausländische Recht innerhalb mehrerer kollidierender
ausländischer Rechte anwendbar ist). Die jeweilige Kollisionsnorm
(Grenznorm) bestimmt also die anzuwendende Sachnorm (grundsätzlich
einschließlich des zu ihr gehörigen internationalen Privatrechts, woraus sich
die Möglichkeiten der Rückverweisung und Weiterverweisung
ergeben). Dabei äußert sich die unvollkommene oder einseitige Kollisionsnorm
nur zu der Frage, wann das eigene nationale (deutsche) Recht zur Anwendung
gelangt, die vollkommene oder allseitige Kollisionsnorm dagegen auch zu der
Frage, ob und welches fremde Recht anzuwenden ist.
Das internationale Privatrecht ist nicht internationales,
sondern nationales, innerstaatliches Recht. Jede nationale Rechtsordnung hat
ihr eigenes internationales Privatrecht. Dessen nationalem Gesetzgeber steht
die Wahl des jeweiligen Anknüpfungspunkts frei, so dass ein
Rechtsverhältnis je nach dem internationalen Privatrecht (des Staates), von dem
man ausgeht, ziemlich unterschiedlichen, ja sogar gegensätzlichen Sachnormen
unterfallen kann.
Die daraus erwachsenden Schwierigkeiten sind vielfach als
unbefriedigend empfunden worden. Deswegen wurden in zahlreichen internationalen
Abkommen einheitliche Anknüpfungskriterien für gewisse Sachbereiche
bestimmt. Insofern geht hier das (möglicherweise unterschiedliche) internationale
Privatrecht der Vertragsstaaten in internationales Einheitsrecht
über. Dieses hat den Vorrang vor dem jeweiligen internationalen Privatrecht.
II. Anknüpfungspunkt
Anknüpfungspunkt ist das Merkmal eines Sachverhalts, von
dessen Vorliegen die Anwendbarkeit einer Sachnorm abhängig ist. In langer
geschichtlicher Entwicklung haben sich als brauchbare Anknüpfungspunkte
verschiedene formale Gesichtspunkte ergeben. Sie schließen für den Einzelfall
inhaltliche Gerechtigkeitserwägungen weitgehend aus.
Die wichtigsten Anknüpfungspunkte sind die
Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthaltsort, der
Parteiwille, der Tatort (lex loci actus), der Erfüllungsort, die Belegenheit
einer Sache (lex rei sitae) und der Ort eines angerufenen Gerichts (lex fori).
Von ihnen wählt das jeweilige (nationale) internationale Privatrecht in der
Regel allerdings nicht nur einen einzigen, ausschließlich geltenden
Anknüpfungspunkt aus. Vielmehr kommen je nach der Art des jeweiligen
Rechtsverhältnisses (z. B. Rechtsfähigkeit, unerlaubte Handlung, Eigentum,
Eheschließung, Erbfall) meist einigermaßen unterschiedliche Anknüpfungspunkte
zur Anwendung.
Diese gesetzgeberische Vorgehensweise wird verschiedentlich
als unbefriedigend empfunden. Ihr wird vorgehalten, dass sie zu wenig die
Einzelfallgerechtigkeit berücksichtige. Demgegenüber wird vor allem das hohe
Maß von Rechtssicherheit hervorgehoben, das mit ihr einhergehe.
§ 2 Deutsches internationales Privatrecht
I. Allgemeiner Teil
Das deutsche internationale Privatrecht ist in den Art. 3 ff.
EGBGB geregelt. Nach Art. 3 I 1 EGBGB bestimmen bei Sachverhalten mit einer
Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates die (Art. 3 I 1 EGBGB)
folgenden Vorschriften, welche Rechtsordnungen anzuwenden sind. Die
Verweisungen auf Sachvorschriften beziehen sich auf die Rechtsnormen der
maßgebenden Rechtsordnung unter Ausschluss derjenigen des (betreffenden)
internationalen Privatrechts, so dass in diesen Fällen (z. B. Art. 4 II EGBGB)
eine Rückverweisung (in das deutsche Recht) oder Weiterverweisung (in ein
weiteres ausländisches Recht) ausgeschlossen ist (beachte für die übrigen Fälle
Art. 4 EGBGB). Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen (internationale
Abkommen) gehen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches
(deutsches) Recht geworden sind, den gesetzlichen Vorschriften ebenso vor wie
Regelungen in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften (Art. 3 II EGBGB).
Hauptanknüpfungspunkt des deutschen internationalen
Privatrechts bei dem auf die persönlichen Lebensverhältnisse anwendbaren Recht
(Personalstatut) ist die Staatsangehörigkeit. Wird auf das Recht des
Staates verwiesen, dem eine Person angehört, und gehört sie mehreren Staaten an
(Mehrstaater), so ist das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden,
mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren
gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens (Art. 5 I 1 EGBGB).
Ist die Person auch Deutscher, so geht diese Rechtsstellung vor (Art. 5
I 2 EGBGB). Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht
festgestellt werden, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem sie ihren
gewöhnlichen Aufenthalt oder mangels eines solchen, ihren Aufenthalt hat (Art.
5 II EGBGB, beachte Art. 5 III EGBGB).
Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist allerdings in allen
Fällen dann doch nicht anzuwenden, wenn ihre Berücksichtigung zu einem Ergebnis
führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public)
offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die
Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist (Art. 6 EGBGB). Innerhalb der
Europäischen Union wird dieser Ausschluss zunehmend schwieriger.
II. Besonderer Teil
1. Recht des allgemeinen Teiles
a) Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit einer
Person unterliegen dem Recht des Staates, dem die Person angehört (Art. 7 I
EGBGB, beachte auch Art. 12 EGBGB).
b) Der Name einer Person unterliegt dem Recht des
Staates, dem die Person angehört (Art. 10 I EGBGB, vgl. für Ehegatten Art. 10
II EGBGB).
c) Hinsichtlich der Form von Rechtsgeschäften bestimmt
Art. 11 EGBGB, dass Rechtsgeschäfte formgültig sind, wenn die Form dem für das
Geschäft geltenden Recht oder dem Recht des Abschlussorts entspricht.
2. Familienrecht
a) Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen
für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört (Art. 13 I EGBGB).
Eine Ehe kann im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form
abgeschlossen werden (Art. 13 III 1 EGBGB).
b) Die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten sich nach
der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten, bei gemischten Ehen nach dem
Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben
oder dem sie auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind (Art. 14
EGBGB). Die güterrechtlichen Wirkungen richten sich nach dem bei der
Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht (Art. 15
I EGBGB, Wahlmöglichkeiten nach Art. 15 II EGBGB, beachte Art. 16 EGBGB).
c) Die Ehescheidung unterliegt dem Recht, das im
Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die
allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Kann die Ehe hiernach nicht
geschieden werden, so unterliegt die Scheidung bei einem deutschen
Antragsteller dem deutschen Recht (Art. 17 I EGBGB). In Deutschland kann eine
Ehe nur durch ein Gericht geschieden werden (Art. 17 II EGBGB). Der Versorgungsausgleich
ist nach Art. 17 III EGBGB nach deutschem Recht durchzuführen.
d) Die Unterhaltspflicht bestimmt sich nach dem Recht
des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten, hilfsweise nach
deutschem Recht (Art. 18 EGBGB).
e) Die Abstammung
eines Kindes unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 19 I 1 EGBGB).
f) Die Annahme als Kind unterliegt dem Recht des Staates,
dem der Annehmende bei der Annahme angehört (Art. 22 S. 1 EGBGB).
g) Die Entstehung, die Änderung und das Ende der Vormundschaft,
der Betreuung und der Pflegschaft
sowie der Inhalt der gesetzlichen Vormundschaft und Pflegschaft unterliegen dem
Recht des Staates, dem der Mündel, Betreute oder Pflegling angehört (Art. 24 I
1 EGBGB).
3. Erbrecht
Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates,
dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte (Art. 25 I EGBGB, für die
Form einer Verfügung von Todes wegen über im Inland belegenes unbewegliches
Vermögen beachte Art. 25 II EGBGB).
4. Schuldrecht
Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien
(eindeutig) gewählten Recht (Art. 27 EGBGB), andernfalls dem Recht des Staates,
mit dem er die engsten Verbindungen aufweist (Art. 28 I 1 EGBGB, beachte die
Art. 28ff. EGBGB). Die Vorschriften der Art. 27ff. EGBGB gelten nicht für
Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks und anderen handelsrechtlichen
Wertpapieren sowie für Fragen des Gesellschaftsrechts und des Rechts der
juristischen Personen (Art. 37 EGBGB).
Bereicherungsansprüche wegen erbrachter Leistungen
unterliegen dem Recht, das auf das Rechtsverhältnis anzuwenden ist, auf das die
Leistung bezogen ist. Ansprüche wegen Bereicherung durch Eingriff in ein
geschütztes Interesse unterliegen dem Recht des Staates, in dem der Eingriff
geschehen ist (Art. 38 I, II EGBGB).
Gesetzliche Ansprüche aus der Besorgung eines fremden Geschäfts
unterliegen dem Recht des Staates, in dem das Geschäft vorgenommen worden ist
(Art. 39 EGBGB).
Ansprüche aus unerlaubter Handlung unterliegen dem Recht des Staates,
in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat, doch kann der Verletzte verlangen,
dass stattdessen das Recht des Staates angewendet wird, in dem der Erfolg
eingetreten ist (Art. 40 EGBGB).
5. Sachenrecht
Rechte an einer Sache unterliegen dem Recht des Staates, in
dem sich die Sache befindet, sofern nicht mit dem Recht eines anderen Staates eine
wesentlich engere Verbindung besteht (Art. 43 EGBGB, Art. 46 EGBGB).
Anhang:
Im Staatsgebiet der früheren Deutschen Demokratischen
Republik gilt das internationale Privatrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur
nach Maßgabe von Art. 236 EGBGB (Anlage I zu Art. 8 des Einigungsvertrages
Kapitel III b Abschnitt II, Maßgeblichkeit des bisherigen internationalen
Privatrechtes für vor dem 3.10.1990 abgeschlossene Vorgänge).