Gerhard Köbler
FERNKERNLERNKURS RECHT
Privatrecht
Arbeitsrecht
§ 1 Individualarbeitsrecht
§ 2 Arbeitsschutzrecht
§ 3 Kollektivarbeitsrecht
Das Arbeitsrecht ist das Recht der (in der Gegenwart fast
die Hälfte der Bevölkerung unmittelbar erfassenden) Arbeitsverhältnisse. Diese waren noch zur Zeit der Schaffung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs vom Gesetzgeber ausschließlich als ein Unterfall der
in den §§ 611ff. BGB geregelten Dienstverhältnisse
angesehen worden, deren Inhalt nach liberalen
Vorstellungen von den Beteiligten grundsätzlich frei ausgehandelt werden können
sollte. Im Gegensatz hierzu hat aber die Entwicklung der Rechtswirklichkeit
schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gezeigt, dass die wirtschaftliche
Ungleichheit von besitzendem Unternehmer und besitzlosem Dienstnehmer bei
freiem Aushandeln in weitem Umfang sachgerechten Ausgleich verhindert.
Als Folge der dadurch entstandenen „sozialen Frage“ entwickelte sich allmählich außerhalb des
Bürgerlichen Gesetzbuchs ein besonderes Arbeitsrecht. Dieses wurde insbesondere
in der Krisenzeit nach dem ersten Weltkrieg durch verschiedene
einzelgesetzliche Maßnahmen geordnet. Seitdem wurde es, da gesetzgeberische
Aktivitäten infolge unterschiedlicher sozialpolitischer Vorstellungen der im
Parlament vertretenen Parteien ausblieben, insbesondere durch Richterrecht fortentwickelt.
Im Mittelpunkt des Arbeitsrechts steht dabei das einzelne
Arbeitsverhältnis zwischen (individuellem) Arbeitgeber und (individuellem)
Arbeitnehmer, das ein besonderes Schuldverhältnis
darstellt und insofern zum Schuldrecht gezählt werden kann. Zu dem für die
einzelnen Arbeitsverhältnisse geltenden Individualarbeitsrecht
kommt zusätzlich aber Arbeitsschutzrecht
hinzu, das eher dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist. Von besonderer Bedeutung
ist schließlich das zwischen den Verbänden der Arbeitgeber und den Verbänden
der Arbeitnehmer kollektiv geschlossene Arbeitsrecht (Kollektivarbeitsrecht).
§ 1
Individualarbeitsrecht
Das den Gegenstand des Individualarbeitsrechts bildende
einzelne Arbeitsverhältnis ist das durch den Arbeitsvertrag begründete
Schuldverhältnis. Es ist ein besonderer Fall des Dienstverhältnisses, dessen
besonderes Kennzeichen die unselbständige
Tätigkeit des Arbeitnehmers ist. Insofern steht es in Gegensatz zu den übrigen
Dienstverhältnissen der selbständig tätigen Dienstnehmer.
Die Unselbständigkeit zeigt sich darin, dass der Arbeitnehmer
sich seine Tätigkeit (im Einzelnen) nicht selbst aussucht, einteilt und
einrichtet. Insoweit ist er vielmehr vom Arbeitgeber abhängig. Dieser bestimmt,
was der Arbeitnehmer zu leisten hat (fremdbestimmte
Arbeit).
Die Abgrenzung fremdbestimmter Arbeit von selbstbestimmter
Arbeit ist nicht immer einfach. Kriterien für das Vorliegen fremdbestimmter
Arbeit sind etwa Fremdbestimmtheit von Ort und Zeit der Arbeitsleistung (vgl. §
84 I 2 HGB), arbeitsorganisatorische Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit oder Personengebundenheit der Arbeitsleistung.
Im einzelnen Fall müssen alle Umstände der jeweiligen Sachlage an Hand dieser
allgemeinen Gesichtspunkte überprüft werden, um entscheiden zu können, ob
fremdbestimmte Dienste oder selbständige Dienste geleistet werden.
I. Wesen
Das Arbeitsverhältnis ist das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer abgeschlossene Schuldverhältnis
über die Leistung von Arbeit gegen Entgelt.
1. Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer
beschäftigt. Dies ist vielfach eine juristische Person, für welche die Organe
die Weisungsbefugnis ausüben. Die Rechtfertigung für diese Weisungsbefugnis
jedes Arbeitgebers liefert die bestehende, staatlich anerkannte
Wirtschaftsverfassung.
2. Arbeitnehmer ist, wer (freiwillig) unselbständige,
fremdbestimmte Arbeit (z. B. Mauern, Entwickeln, Verkaufen, Schreiben,
Modellstehen) leistet. Dies kann nur ein Mensch sein. Ausgeschlossen sind alle Menschen,
die auf einer besonderen Rechtsgrundlage Arbeitsleistungen erbringen (z. B.
Beamte, Richter, Kinder, Ehegatten, Vorstandsmitglieder juristischer Personen,
Gesellschafter, Ordensangehörige, Strafgefangene, Sicherungsverwahrte usw.).
Umgekehrt können einzelne Gruppen ausdrücklich den Arbeitnehmern in
verschiedener Hinsicht gleichgestellt sein (z. B. in Heimarbeit Beschäftigte,
sog. arbeitnehmerähnliche Personen).
Innerhalb der Arbeitnehmer wird (ausgehend von der Art der
Lohnzahlung) hauptsächlich zwischen Angestellten und Arbeitern unterschieden,
wobei die rechtlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen immer
geringer werden. Angestellter ist,
wer kaufmännische Tätigkeiten,
Büroarbeiten oder überwiegend geistige, insbesondere leitende Tätigkeiten
ausübt. Jeder Arbeitnehmer, der nicht Angestellter ist, ist Arbeiter.
Innerhalb der Angestellten nehmen die leitenden Angestellten
eine Sonderstellung ein. Ihr allgemeines Kennzeichen ist, dass sie in hohem Maß
Unternehmerfunktionen ausführen (z. B. Prokuristen, Betriebsleiter). Ein
jeweils besonders abgegrenzter Kreis von leitenden Angestellten wird von
einzelnen Rechtsnormen besonders behandelt.
Auf Grund der besonderen geschichtlichen Entwicklung werden
von einzelnen Rechtsregeln einzelne beruflich gegliederte Gruppen von
Arbeitnehmern besonders erfasst. So gelten für gewerbliche Arbeitnehmer (d. h. für Arbeitnehmer, die in einem der
Gewerbeordnung unterfallenden Gewerbebetrieb als Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge
[Auszubildende], Betriebsbeamte, Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter oder in
ähnlicher Stellung beschäftigt sind) die §§ 105ff. GewO und für kaufmännische Angestellte (d. h. für
Arbeitnehmer, die in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste
angestellt sind) die §§ 59ff. HGB (sowie für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes besondere
Tarifvertragsrechte [Bundes-Angestellten-Tarifvertrag,
Mantel-Tarifvertrag für Arbeiter des
Bundes, Mantel-Tarifvertrag für
Arbeiter der Länder, Bundes-Mantel-Tarifvertrag
für Arbeiter der Gemeinden]). Für alle anderen Arbeitnehmer ist im Allgemeinen
das Dienstvertragsrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 611 BGB) maßgebend, das aber an einzelnen Stellen
für den Arbeitsvertrag nicht oder nur beschränkt gelten kann.
II. Entstehung
Das Arbeitsverhältnis entsteht durch Rechtsgeschäft. Sein
Abschluss bedarf, da es auf beiden Seiten nicht lediglich einen rechtlichen
Vorteil bewirkt, der Geschäftsfähigkeit
der Beteiligten. Allerdings ist nach § 113 I BGB ein Minderjähriger unter den
dort genannten Voraussetzungen für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt
geschäftsfähig (Arbeitsmündigkeit), welche die Eingehung oder Aufhebung eines
(Dienstverhältnisses oder eines) Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder
die Erfüllung der sich aus einem solchen Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten
betreffen.
Für den Arbeitsvertrag gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dementsprechend
garantiert Art. 12 GG die freie Wahl des Arbeitsplatzes sowie die
Berufsfreiheit als Grundrechte. Auch
eine besondere Form von Arbeitsverträgen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben
(anders bei Ausbildungsverträgen). Selbst die Festsetzung des Inhaltes des
Arbeitsverhältnisses unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung (vgl. §
105 GewO, beachte aber vor allem die den Grundsatz nahezu aufhebenden
Einschränkungen durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen). Allerdings hat
nach § 2 des sog. Nachweisgesetzes vom 28. 7. 1995 der Arbeitgeber spätestens
einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen
Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu
unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.
Weist das Rechtsgeschäft einen Willensmangel auf, so hat dieser wegen des Dauerschuldcharakters
dieses Schuldverhältnisses grundsätzlich keine rückwirkende Auflösung des
Arbeitsverhältnisses zur Folge. Vielmehr werden sowohl nichtige Arbeitsverhältnisse
wie auch anfechtbare Arbeitsverhältnisse
für die Zeit zwischen Arbeitsantritt und Geltendmachung des Mangels wie
wirksame Arbeitsverhältnisse behandelt. Für die Zukunft besteht dann keine
Bindung mehr. Ist ein Arbeitsvertrag nur in einer einzelnen Hinsicht nichtig,
so bleibt er (entgegen § 139 BGB) im Zweifel mit dem vom Gesetz gebotenen
Inhalt bestehen.
Zweifelhaft ist, in welchen Fällen eine falsche Auskunft (z.
B. über Vorstrafe, Krankheit, Schwangerschaft) des Arbeitnehmers in einem
Einstellungsgespräch einen Anfechtungsgrund abgeben kann. Entscheidend ist, ob
die gestellte Frage für die Besetzung des Arbeitsplatzes von Bedeutung ist. Nur
wenn der Arbeitnehmer eine danach zulässige Frage (z. B. nach Krankheit, unzulässig
für Schwangerschaft) falsch beantwortet, ist ein Anfechtungsgrund gegeben.
III. Inhalt
Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags entstehen für
Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschiedene Rechte bzw. Pflichten.
1. Pflichten
des Arbeitnehmers
Den Arbeitnehmer trifft die Pflicht, sich der vom
Arbeitgeber organisierten Arbeitsteilung einzufügen und die vom Arbeitgeber
nach Art, Ort und Zeit konkretisierte Arbeit (Dienste) zu leisten. Dem
entspricht zugleich das Recht des Arbeitnehmers auf eine vertragsgemäße
Beschäftigung, das nur bei Unzumutbarkeit entfällt. Im Rahmen dieser
Dienstleistungspflicht kann der Arbeitgeber bei Verstößen gegen die
betriebliche Ordnung u. a. Disziplinarmaßnahmen ergreifen (z. B. Verwarnung,
Verweis, Betriebsbuße) und Kontrollen durchführen.
Der Arbeitnehmer ist, soweit er die tatsächliche Gewalt über
eine Sache für den Arbeitgeber ausübt, nicht Besitzer, sondern nur Besitzdiener (§ 855 BGB).
Nimmt er eine Verarbeitung oder Umbildung zu einer neuen
Sache vor, so erwirbt er das Eigentum
für den Arbeitgeber (Sinn und Zweck des § 950 BGB). Diensterfindungen muss er dem Arbeitgeber melden, der sie gegen
angemessene Vergütung verwerten kann (vgl. im Einzelnen das Gesetz über
Arbeitnehmererfindungen).
Das Recht zu den die Arbeitspflicht rechtsgestaltend
konkretisierenden Weisungen des Arbeitgebers (Direktionsrecht) wird (außer durch das Arbeitsschutzrecht, durch
Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung) durch den Arbeitsvertrag selbst begrenzt
(„versprochene Dienste“). Die danach bestimmten Dienste sind regelmäßig in
Person zu leisten (vgl. § 613 BGB). Ein Anspruch des Arbeitgebers auf sie kann
durch Klage geltend gemacht werden, doch ist ein auf Arbeitsleistung lautendes
Urteil nicht vollstreckbar (§ 888 II ZPO). Unter besonderen Umständen kann der
Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer seine Dienstpflicht zur Gänze nicht oder
nicht mehr erfüllt, einen Schadensersatzanspruch wegen der Aufwendungen für die
Suche nach einer Ersatzkraft geltend machen (beachte auch Vertragsstrafen).
Leistet der Arbeitnehmer einen Teil der geschuldeten Arbeit
wegen schuldhafter Versäumnis nicht,
so verliert er wegen zu vertretender teilweiser Unmöglichkeit den Lohnanspruch
für die versäumte Zeit (evtl. Schadensersatzpflicht). Demgegenüber hat eine
inhaltlich mangelhafte Arbeitsleistung im Allgemeinen keine Minderung des
Lohnanspruchs zur Folge.
Fügt der Arbeitnehmer bei Erfüllung des Arbeitsvertrags dem
Arbeitgeber schuldhaft einen Schaden
zu, so haftet er nach den Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung und
über die unerlaubten Handlungen grundsätzlich für jede Fahrlässigkeit. Da bei
jeder menschlichen Tätigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Schäden
entstehen können, ist es in der arbeitsteiligen Wirtschaft unangemessen, den wirtschaftlich
schwachen Arbeitnehmer für die Schäden haften zu lassen, welche bei dem wirtschaftlich
starken Arbeitgeber mit gleicher Wahrscheinlichkeit einträten, würde er die
entsprechenden Aufgaben persönlich ausführen. Deswegen ist bei der Ermittelung
eines Schadensersatzanspruchs des Arbeitgebers (bei jeder Tätigkeit) immer auch
das vom Arbeitgeber zu tragende allgemeine Betriebsrisiko zu berücksichtigen.
Dies kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer trotz Verschuldens von einer
Ersatzpflicht frei wird. Bei Schäden Dritter folgt hieraus ein entsprechender Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers
gegen den Arbeitgeber hinsichtlich des Ersatzanspruchs des geschädigten
Dritten.
Neben der Dienstleistungspflicht trifft den Arbeitnehmer
eine Reihe von aus Treu und Glauben
entspringenden Nebenpflichten, die insgesamt zum Ziel haben, den Erfolg der vom
Arbeitgeber verfolgten Ziele auch mit Hilfe des Arbeitnehmers zu verwirklichen
(z. B. Unterlassung von Wettbewerb, Wahrung von Geschäftsgeheimnissen,
Zurückweisung von Schmiergeldern, Anzeige drohender Gefahren usw.).
2. Pflichten
des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat in erster Linie die Pflicht zur
Gewährung der vereinbarten Vergütung,
wobei sich die Höhe sehr oft nach dem Tarifvertrag
bestimmt. Wichtige Lohnformen sind Zeitlohn
und Leistungslohn (z. B.
Akkordlohn). Der Lohnanspruch ist nur bedingt pfändbar (§§ 850ff. ZPO).
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf
die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht
erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein
Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird (§ 616 I BGB). Nach § 3
Entgeltfortzahlungsgesetz ist bei einer Erkrankung Entgelt bis zu sechs Wochen
weiterzuzahlen. Ist der Arbeitgeber im Annahmeverzug
hinsichtlich der Dienste, kann der Dienstverpflichtete die Vergütung verlangen,
ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 BGB). Bei Betriebsstörungen,
die in den Bereich des Betriebsrisikos
des Arbeitgebers fallen (z. B. Ausfall der Energieversorgung), ist ebenfalls
die Vergütung fortzuzahlen. Umgekehrt entfällt die Vergütungspflicht bei
Betriebsstörungen, die zur Risikosphäre
der Arbeitnehmer gehören (z. B. Teilstreik). Die Arbeitszeit, die infolge eines
gesetzlichen Feiertags (ausgenommen den Sonntag) ausfällt, ist grundsätzlich
voll zu vergüten (§ 2 I EFZG).
Zum Lohn kommen vielfach zusätzliche Leistungen hinzu (z. B.
Weihnachtsgratifikation, Prämien), die sich zusammen mit vom Arbeitgeber zu
tragenden Sozialabgaben als Lohnnebenkosten auf etwa die Hälfte der Lohnkosten
belaufen.
Eine weitere Pflicht des Arbeitgebers ist die Fürsorgepflicht (vgl. §§ 618 BGB, 62
HGB).
Schließlich hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch in
jedem Jahr bezahlten Erholungsurlaub
zu gewähren (§ 1 BUrlG). Die Dauer des Urlaubs
beträgt mindestens 18 Werktage (d. h. Kalendertage, die nicht Sonntage oder
gesetzliche Feiertage sind) (§ 3 BUrlG). Voraussetzung für den Anspruch auf
Erholungsurlaub ist das 6-monatige Bestehen des Arbeitsverhältnisses (§ 4
BUrlG). Der Urlaub ist grundsätzlich zusammenhängend im laufenden Kalenderjahr
zu gewähren (§ 7 III BUrlG). Er wird gewährt, damit der Arbeitnehmer
Gelegenheit hat, sich zu erholen. Darüber hinaus ist der Erholungsurlaub
Gegenstand vieler tarifvertraglicher Regelungen. Einen Anspruch auf zusätzliche
unbezahlte Freizeit hat der Arbeitnehmer nicht.
IV. Beendigung
Das Arbeitsverhältnis endet
hauptsächlich mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist (beachte §
625 BGB), mit Erreichung des Zweckes, für den es abgeschlossen wurde, durch
Kündigung, durch Aufhebungsvertrag und durch den Tod des Arbeitnehmers (nicht:
durch Tod des Arbeitgebers, Insolvenz des Arbeitgebers, Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers, Veräußerung des Betriebs, vgl. § 613a BGB).
Die Kündigung ist
dabei eine empfangsbedürftige, bei Dienstverhältnissen formlos mögliche, bei
Arbeitsverhältnissen nach § 623 BGB der Schriftform bedürftige (elektronische
Form ausgeschlossen) Willenserklärung (Gestaltungserklärung auf Grund eines
Gestaltungsrechts, einseitiges Rechtsgeschäft) des einen Vertragsteils
gegenüber dem anderen mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sie
kann ordentliche Kündigung, außerordentliche Kündigung, fristlose Kündigung und
befristete Kündigung sein. In der Regel ist die außerordentliche Kündigung eine
fristlose Kündigung.
Die ordentliche Kündigung ist an die Einhaltung bestimmter Fristen gebunden. Nach § 622 I BGB kann
mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines
Kalendermonats gekündigt werden. Für die Kündigung durch den Arbeitgeber
verlängert sich die Frist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder
Unternehmen zwei, fünf, acht, zehn, zwölf, fünfzehn oder zwanzig Jahre
bestanden hat, auf einen, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben Monate zum
Ende eines Kalendermonats (§ 622 II BGB).
Die außerordentliche Kündigung setzt einen wichtigen Grund voraus (§ 626 BGB).
Dieser ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der
Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des
Dienstverhältnisses nicht zugemutet
werden kann (z. B. Tätlichkeit, grobe Beleidigung, Gefährdung der Gesundheit,
Arbeitsunfähigkeit, gefälschte Zeugnisse, Diebstahl, Arbeitsverweigerung). Die
Kündigung kann nur innerhalb zweier Wochen ab Kenntnis der Kündigungsgrunds
erfolgen (§ 626 II BGB).
Gegen die Kündigung kann der Arbeitnehmer nach dem
Kündigungsschutzgesetz (beachte §§ 1 I, 14 I, 23 I) binnen drei Wochen Feststellungsklage beim Arbeitsgericht
erheben, wenn er sie für unbegründet oder sozialwidrig hält (Kündigungsschutzklage, beachte § 13 I
KSchG). Während der Dauer des Verfahrens hat der Arbeitnehmer einen Anspruch
auf Beschäftigung. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung vor
allem (§ 1 II KSchG), wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in
dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen (z. B. mangelnde Eignung, fehlerhafte
Leistung, Vertragsverletzung), oder nicht durch dringliche betriebliche
Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen
(z. B. Energiemangel, Rationalisierungsmaßnahme), bedingt ist (beachte weiter §
1 II 2 KSchG). Gibt das Gericht der Klage statt, stellt es fest, dass das
Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (beachte auch § 9 I
S. 1,2 KSchG).
Besonderen Kündigungsschutz genießen etwa die Betriebsratsmitglieder
und die Personalratsmitglieder (§§ 15f. KSchG, 103 BetrVG), werdende Mütter und
Wöchnerinnen (§ 9 I 1 MuSchG) und schwerbehinderte Menschen (§§ §§ 85ff. SGB IX).
V. Sonderformen
Besondere Formen des Arbeitsverhältnisses, für die teilweise
Sonderrecht gilt, sind das Berufsausbildungsverhältnis
(§§ 1ff. Berufsbildungsgesetz v. 14. 8. 1969), das Teilzeitarbeitsverhältnis,
das Aushilfsarbeitsverhältnis, das Gruppenarbeitsverhältnis, das
Probearbeitsverhältnis und das mittelbare Arbeitsverhältnis.
§ 2
Arbeitsschutzrecht
Arbeitsschutz ist der dem Arbeitnehmer durch Gesetz gewährte
Schutz vor aus der Arbeit erwachsenden Gefahren, dessen Inanspruchnahme nicht
vom Willen des Arbeitnehmers abhängt. Solche Gefahren drohen insbesondere aus
technischen Einrichtungen und Produktionsverfahren, aus übermäßiger zeitlicher
Belastung und aus unsozialer Gestaltung der vertraglichen Arbeitsbedingungen.
Besonders schutzbedürftig sind Frauen und Jugendliche.
I.
Arbeitszeitschutz
Nach § 3 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) darf die regelmäßige
werktägliche Arbeitszeit für
Arbeitnehmer über 18 Jahre in Betrieben und Verwaltungen aller Art die Dauer
von acht Stunden grundsätzlich nicht überschreiten. Die Arbeitszeit kann in
bestimmten Grenzen auf bis zu 10 Stunden täglich verlängert werden (§ 3 S. 2
ArbZG).
II.
Frauenschutz und Mutterschutz
Weiblichen Arbeitnehmern ist die Arbeit in bestimmten
Arbeitsstätten (z. B. Bergwerk, Kokerei) verboten.
Nach § 3 I MuSchG dürfen werdende Mütter im Einzelfall nicht
beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von
Mutter und Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. In den letzten
sechs Wochen vor der Entbindung dürfen werdende Mütter grundsätzlich allgemein
nicht beschäftigt werden (§ 3 II MuSchG). Nach der Entbindung gilt ein
allgemeines Beschäftigungsverbot von 8 Wochen, bei Frühgeburt oder
Mehrlingsgeburt von 12 Wochen (§ 6 I MuSchG).
Für die Zeit des Beschäftigungsverbots hat die werdende
Mutter bzw. nach der Geburt die Mutter einen Anspruch auf Mutterschutzlohn (§
11 MuSchG) bzw. Mutterschaftsgeld (§ 200 RVO, beachte § 14 MuSchG).
An die achtwöchige Schutzfrist nach der Entbindung kann sich
ein Erziehungsurlaub bis zu dem Tag, an dem das Kind das dritte Lebensjahr
vollendet, anschließen (Bundeserziehungsgeldgesetz v. 25. 7. 1989), in dem die
Mutter oder der Vater oder andere betreuende Personen ein Erziehungsgeld (von
höchstens 460 Euro bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats und von höchstens
307 Euro bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats) beanspruchen können.
III.
Jugendarbeitsschutz
Die Beschäftigung von Kindern (d. h. Personen unter 14
Jahren) und noch voll Schulpflichtigen ist grundsätzlich verboten (§ 5
JArbSchG, beachte Ausnahmen für Erntearbeiten, Zeitungsaustragen,
Sportveranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen). Jugendliche unter 15 Jahren,
die nicht mehr vollzeitschulpflichtig sind, dürfen nur in
Berufsausbildungsverhältnissen oder sonst nur mit leichten geeigneten Arbeiten
bis zu 7 Stunden täglich und 35 Stunden wöchentlich beschäftigt werden (§ 7
JArbSchG). Jugendliche, die vollzeitschulpflichtig sind, sind Kindern
gleichgestellt (§ 2 III JArbSchG). Im Übrigen darf die Arbeitszeit Jugendlicher
8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich grundsätzlich nicht überschreiten
(§ 8 JArbSchG). Bestimmte Arbeiten sind allgemein verboten (§§ 22ff. JArbSchG).
IV. Schutz
schwerbehinderter Menschen
Schwerbehinderter Mensch ist der Mensch, dessen
Erwerbsfähigkeit wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht
nur vorübergehend um wenigstens 50 Prozent gemindert ist. Arbeitgeber, die über
mehr als 15 Arbeitsplätze verfügen, sind verpflichtet, (6 Prozent der)
Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Andernfalls müssen
sie eine Ausgleichsabgabe entrichten.
§ 3 Kollektivarbeitsrecht
I. Koalitionen
In geschichtlicher Entwicklung haben Arbeitgeber und (vor
allem wirtschaftlich schwache) Arbeitnehmer Vereinigungen zur Wahrung und
Förderung ihrer Interessen (Koalitionen) gebildet. Die Freiheit hierzu steht
nach Art. 9 II GG jedermann zu. Streitig ist, ob auch die negative Koalitionsfreiheit (d. h. die Freiheit,
sich keiner Koalition anzuschließen,) in gleicher Weise geschützt ist.
Die Zusammenschlüsse der Arbeitnehmer sind die Gewerkschaften (nichtrechtsfähige
Vereine). Sie gliedern sich nach Industriezweigen. Die Einzelgewerkschaften
sind hauptsächlich im Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossen.
Die Arbeitgeber haben regionale Verbände gebildet, die
teilweise verschiedene Wirtschaftszweige umfassen. Ihre Dachorganisation ist
die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Die Arbeitgeberverbände sind in der Regel eingetragene Vereine.
Hauptaufgabe der Koalitionen ist die kollektive Gestaltung
von Arbeitsbedingungen. Ein Mittel
hierzu ist der Arbeitskampf. In
diesem setzt eine der beiden Seiten die andere Seite durch gemeinsame Maßnahmen
absichtlich unter wirtschaftlichen Druck, um ein bestimmtes Ziel (z. B. höheren
Lohn) zu erreichen.
Herkömmliche Mittel sind Streik und Aussperrung (sowie Boykott). Sie können im Einzelfall rechtswidrig
sein. Im Ergebnis führen Lohnerhöhungen in der Regel zu Kostensteigerungen und
Rationalisierungsmaßnahmen und damit in der Industriegesellschaft auch zu
(hoher) Arbeitslosigkeit.
Während des Streiks werden die Hauptpflichten suspendiert.
Beschäftigungspflicht und Lohnzahlungspflicht entfallen. Der Lohnausfall wird
teilweise von den Gewerkschaften ausgeglichen.
II.
Tarifvertrag
Tarifvertrag ist ein schriftlicher (§ 1 II TVG) Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder
Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft (vgl. § 2 I TVG) zur Regelung
arbeitsrechtlicher Fragen (z. B. Arbeitsbedingungen, Rationalisierung,
Urlaubskassen). Er ist nach umstrittener Ansicht Rechtsquelle und Vertrag. Er kann Verbandstarifvertrag,
Unternehmenstarifvertrag, Manteltarifvertrag oder Lohntarifvertrag sein. Durch
eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung
(Verwaltungsakt und Rechtsetzungsakt) des Bundesarbeitsministers oder
Landesarbeitsministers kann seine Wirksamkeit über die Vertragsbeteiligten
hinaus erstreckt werden.
III. Betriebsverfassung
Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die
Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe
(Betriebsversammlung, Betriebsrat, Betriebsausschuss, Vorsitzender) im Betrieb
in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Sie gründet sich auf Gesetz
(Betriebsverfassungsgesetz), Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung. Ziel der
Betriebsverfassung ist der Schutz der Rechte der Arbeitnehmer sowie ihre z. T.
durch die Organe vermittelte Teilhabe am Betriebsgeschehen.
Nach § 1 BetrVG werden in Betrieben, die in der Regel
mindestens 5 ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer (davon mindestens 3
wählbare) beschäftigen, (durch Wahl) Betriebsräte gebildet (vgl. im
öffentlichen Dienst die Personalräte). Das „Amt“ des Betriebsrats hat eine
regelmäßige Dauer von 3 Jahren. Es ist ein unentgeltliches Ehrenamt, für dessen
Durchführung die Betriebsratsmitglieder unter Entgeltzahlung von der
Arbeitspflicht befreit sind.
Die Aufgaben des Betriebsrats sind in § 80 I BetrVG näher
geregelt. Insbesondere in sozialen Angelegenheiten hat er danach eine
umfassende Zuständigkeit. Nach § 87 BetrVG ist seine Zustimmung zur Regelung
bestimmter Fragen unerlässlich (z. B. Rauchververbot, Kleidungsvorschriften,
Pausen, Kantinen usw.). Nach § 102 I BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder
Kündigung zu hören, wobei eine ohne diese Anhörung ausgesprochene Kündigung
unwirksam ist.
IV.
Mitbestimmung
Das Mitbestimmungsgesetz für die Montanindustrie vom 21. 5.
1951 sieht eine Vertretung der Arbeitnehmer in den Vorständen und
Aufsichtsräten der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden
Industrie vor. Nach dem Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 sind die
Aufsichtsräte der Kapitalgesellschaften außerhalb des Montanbereichs mit mehr
als 2000 Beschäftigten mit einer gleichen Anzahl von Vertretern der
Anteilseigner und der Arbeitnehmer zu besetzen. Zu den Vertretern der
Arbeitnehmerseite zählt (zur Sicherung der regelmäßigen Mehrheit der
Kapitaleignerinteressen) mindestens auch ein Vertreter der leitenden Angestellten.
Anhang:
Für das Staatsgebiet der früheren Deutschen Demokratischen
Republik gilt das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe der
Anlage I zu Art. 8 des Einigungsvertrags Kapitel VIII.