Köbler, Gerhard

Altgriechisches Abkunfts- und Wirkungswörterbuch.

2007

 

Literatur: Barcelo, P., Kleine griechische Geschichte, 2004, Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A., 1994; Botsion, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999, Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus, 2. A. 1995; Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. a. 2003, Weithmann, M., Griechenland vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, 1994; Clogg, R., Geschichte Griechenlands im 19. und 20. Jahrhundert, 1997

 

 

A) Geschichte

 

Spätestens im Laufe des zweiten vorchristlichen Jahrtausends sonderten sich aus den Indogermanen (von Norden zu nicht sicher bekannter Zeit einwandernd) die miteinander sprachlich (z. B. durch die Einschränkung des konsonantischen Wortauslauts auf s, n und r) verwandten Ionier, Äolier und Achäer aus und vermischten sich am nordöstlichen Mittelmeer unter Übernahme zahlreicher nichtindogermanischer Wörter mit den dort vor ihnen ansässigen Karern, Lelegern und Pelasgern (unter Erreichung Kretas in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr.). Sie bildeten entsprechend den natürlichen Gegebenheiten des gebirgigen Gebietes begrenzte örtliche Herrschaften mit befestigen Mittelpunkten (Mykene, Pylos, Argos, Theben, Athen), in denen wohl seit dem 17. vorchristlichen Jahrhundert (in Mykene/Kreta) Schreibtechnik (Silbenschrift Linear B 17. Jh. bzw. 1450-1260 v. Chr., älteste mykenische Inschrift aus dem Heiligtum von Olympia aus dem 17. Jh. v. Chr., 11. Jh. v. Chr. Kyprisch-Syllabisch auf Zypern) bekannt war. Vielleicht im 12. vorchristlichen Jahrhundert wurden Ionier, Äolier und Achäer durch Dorer ergänzt.

Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. verdrängten in vielen der einzelnen Herrschaften (Stadtstaat [polis], Geld bekannt) auf Zeit bestimmte Anführer, Rat und Volksversammlung die Könige. Die sich insgesamt als Hellenen verstehenden Völker griffen nach Westen, Süden und Osten aus. Dichter wie etwa Homer hielten diese Anfänge in hexametrischen Epen (Ilias, Odysee) fest, die in einer um die Zeitenwende zum letzten vorchristlichen Jahrtausend (9. Jh. v. Chr.?) von den semitischen Phönikern/Phöniziern übernommenen, auf 24 (bzw. 25) Buchstaben (Alpha, Beta, Gamma, Delta, Epsilon, Zeta, Eta, Theta, Jota, Kappa, Lambda, My, Ni, Xi, Omikron, Pi, Ro, Sigma, Tau, Ypsolon, Phi, Chi, Psi, Omega, Schlusssigma) eingeschränkten, im Gegensatz zu den semitischen Vorläufern auch Vokale graphisch kennzeichnenden Großbuchstabenschrift (Alphabet) aufgeschrieben wurden.

In Athen wurde im Ringen zwischen Adel und Volk um 620 das Recht aufgezeichnet (Drakon, drakonische Strafen). 594 wurde es abgeändert (So­lon, überliefert vor allem durch Aristoteles, u. a. Möglichkeit der Berufung an die Volksversammlung). Wichtige Quellen sind etwa hundert Gerichtsreden, während eigentliche juristische Schriften vielleicht wegen der Art der Gerichtsverfassung (Gerichte mit zahlreichen Mitgliedern) fehlen.

507 wurde in Athen die Grundlage für eine Volksherrschaft (Demokratie) geschaffen (Kleisthenes, 462 Perikles).

In Kämpfen mit anderen Völkern entwickelten sich einzelne Stadtstaaten zu bedeutenden Mächten. Kunst und Wissenschaft blühten auf. Losgelöst von bestimmten Tagesnotwendigkeiten eigener Lebenssicherung wurde nach den Urgründen des Seins, nach dem Verhältnis von Werden und Sein sowie der Beziehung von Einheit und Vielheit gefragt.

Durch diese Philosophie wurde das vorangehende religiös-mythische, von einer Vielzahl von Göttern (z. B. Zeus, Hera) im Götterhimmel (Olymp) beherrschte Denken abgelöst. Gedankliche Ermittlung natürlicher Gesetz­mäßigkeiten und rationale Überlegung traten an ihre Stelle (Thales von Milet 625-um 547 v. Chr.). Schon für Pythagoras (um 570-um 500 v. Chr.) waren die Zahlen und ihre Ordnung die Grundform allen Seins.

Begründer der praktischen Philosophie wurde der wegen Verführung der Jugend Athens zum Trinken des giftigen Schierlingsbechers verurteilte Stein­metzensohn Sokrates (um 470-399 v. Chr.). In einen systematischen Rahmen stellten seine Lehre sein Schüler Platon (427-349 v. Chr.) und etwas später Aristoteles (384-322 v. Chr.). Durch die von ihnen gewonnene Methodenlehre wurde Wissen durch strenge Beweisverfahren abgesichert (Logik, Syllogismus).

In der politischen Praxis kam es allerdings zu einem langjährigen Ringen (peloponnesischer Krieg 431-404 v. Chr.) um die Vorherrschaft unter den griechischen Stadtstaaten, der mit einem Sieg Spartas über Athen endete. Sparta seinerseits unterlag wenig später Theben. Diese innere Zerrissenheit nützte König Philipp II. von Makedonien und brachte 338 v. Chr. die griechischen Stadtstaaten unter die Herrschaft Makedoniens.

197 v. Chr. fielen die griechischen Gebiete mit Makedonien an die Römer, unter denen Griechenland ohne politische Bedeutung war, und damit grund­sätzlich in den Geltungsbereich römischen Rechts und später der sich allmäh­lich durchsetzenden christlichen Religion geriet. 330 n. Chr. gelangte es bei der Teilung des römischen Weltreichs an die Osthälfte (Ostrom, Konstan­tinopel, Byzanz). In den anschließenden Jahrhunderten wurde es vielfach kurzfristig von anderen Völkern überrannt, blieb aber im oströmischen Einflussbereich

 

 

B) Sprache

 

Literatur: Browning, R., Medieval and modern Greek, 2. A. 1983; Palmer, L., Die griechische Sprache, 1986; Fink, G., Die griechische Sprache, 2. A. 1992

 

Das Griechische ist eine indogermanische, viele indogermanische Sprachstruk­turen (morphologisches und lexikalisches System) über mehr als dreitau­send Jahre (dokumentiert über rund dreitausend) Jahre im Wesentlichen bewahrende, aber ein Drittel ihres Wortschatzes aus (einer) vorindogermani­schen, altägäischen Sprache(n) übernehmende Sprache. 403/402 v. Chr. wurden in Athen das ionische Alphabet (Milets) mit 24 Buchstaben und die Schriftrichtung von links nach rechts eingeführt und danach von den anderen griechischen Gebieten übernommen. Die dialektale Verschiedenheit (ionisch [Homer], attisch [Attika mit Athen], äolisch, thessalisch, arkadisch, kyprisch, dorisch, kretisch) wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. so weit überwunden, dass im römischen Reich das Griechische zur allgemeinen Umgangssprache (Koine, z. B. auch im neuen Testament) der östlichen Reichshälfte aufsteigen konnte.

Um 200 v. Chr. wurden von Grammatikern in Alexandria (Aristophanes von Byzanz 260-180 v. Chr.) Hilfszeichen eingeführt, die sich seit dem 3. Jh. n. Chr. durchsetzten und im 9. Jh. n. Chr. bindend wurden (Spiritus asper für h vor Vokalen und r, Spiritus lenis für fehlendes h vor Vokalen, Akut für Hochton, Gravis für Tiefton, Zirkumflex für Steigton und Fallton, Apostroph und Trema). Vom 2. Jh. v. Chr. an kam neben der älteren Schrift in Groß­buchstaben (Majuskeln) für den alltäglichen Gebrauch eine Kursivschrift für diese Zeichen auf, die im 8. Jh. n. Chr. zu einer Schrift mit Kleinbuchstaben (Minuskeln) führte. Aus ihr entwickelte sich (erst) im 17. Jh. n. Chr. die gegenwär­tige Schreibschrift (des Neugriechischen).

Altgriechisch (einschließlich des Frühgriechischen [17.-12. Jh. v. Chr.] und des archaischen Griechischen [11.-9. Jh. v. Chr.]) ist das in den Anfängen in Silbenschriften (in Knossos auf Kreta und) in Pylos in der Peloponnes überlieferte Griechische bis (300 v. Chr. bzw.) zum 5. Jh. n. Chr. Ihm folgt (nach der vielleicht von 300 v. Chr. bis 300 n. Chr. reichendenden Zeit der Konie vielleicht seit dem 5. Jh. n. Chr.) das schon Hochsprache (Katharevussa, Reinsprache) und Volkssprache (Demotiki) unterscheidende Mittelgriechische. Seit dem 15. Jh. n. Chr. (1453 Eroberung Byzanzs durch die Türken) entsteht hieraus das Neugriechische, das in der Gegenwart vor allem durch den Verlust des Infinitivs unter wohl semitischem Einfluss und seit September 1982 das Einakzentsystem (Akut) gekennzeichnet ist.

Umgeschrieben in lateinischen Buchstaben wird das Altgriechische üblicherweise folgender­maßen: α (alpha) = a, β (beta) = b, γ (gamma) = g, δ (delta) = d, ε (epsilon) = e, ζ (zeta) = z, η (eta) = e, θ (theta) = th, ι (jota) = i, κ (kappa) = k, λ (lambda) = l, μ (my) = m, ν (ny) = n, ξ (xi) = x, ο (omikron) = o, π (pi) = p, ρ (ro) = r, σ, ς (sigma) = s, τ (tau) = t, υ (ypsilon) = y, φ (phi) = ph, χ (chi) = ch, ψ (psi) = ps, ω (omega) o.

 

 

C) Einfaches etymologisches Wörterbuch des Altgriechischen

 

Da griechische Dichter, Schriftsteller und Philosophen ohne unmittelbare Anlehnung an vorhandene Vorbilder durch Schöpfung neuer Begriffe und reich gegliederten Satzbau ihre Sprache zu einem zur Darstellung schwierigster Gedankengänge und feinster Regungen geeigneten Werkzeug (mit vielen Abstraktbegriffen und reicher Syntax) entwickelten, hat die griechische Sprache durch die in ihr geschriebenen Werke und durch das dafür gebildete Wortmaterial einen nachhaltigeren und wesentlicheren Einfluss auf alle späteren indogermanischen Sprachen Europas (z. B. auf das Lateinische vor allem über das Etruskische) ausgeübt als jede jede andere Sprache. Diese Wirkung rechtfertigt eine besondere Befassung mit dem Altgriechischen. Weil ein entsprechendes einbändiges Wörterbuch, welches das Altgriechische mit dem Indogermanischen einerseits und dem Deutschen andererseits verknüpft, noch fehlt, wird es hier im Parallele zu germanistischen etymologischen Wörterbüchern und einem lateinischen etymologischen Wörterbuch der Allgemeinheit maschinenlesbar zur Verfügung gestellt.

Grundlage dafür ist in erster Linie die vorhandene Literatur, wobei besonderer Wert auf die Einbeziehung des altgriechischen Kernwortschatzes, der darüber hinaus vorhandenen etymologisch wichtigen Wörter und der (im Lateinischen und Deutschen) weiterwirkenden Wörter des Altgriechischen gelegt wurde. Die Erarbeitung des rund 10000 altgriechischen Ansätze umfassenden Werkes ist in erster Linie der Tatkraft Veronika Schöneggers zu verdanken. Möge das durch die Umschrift in lateinische Schriftzeichen jedermann einen einfachen Zugang erlaubende Werk das allgemeine Interesse an der europäischen Sprachgeschichte vermehren.

 

Erlangen, 8. Oktober 2007                           Gerhard Köbler

 

Altgriechisches Abkunfts- und Wirkungswörterbuch

 

Abkürzungsverzeichnis

 

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